Simon Schmid , Sozialpädagoge
Wie vielleicht einige von euch wissen, war die Stiftung «Mensch zuerst» im November vergangenen Jahres zu Besuch bei Betula. Sie haben die Bewohnerinnen und Bewohner befragt, wie zufrieden sie mit Betula als Wohn- und Arbeitsort – als Lebensraum – sind.
«Mensch zuerst», dieser Name klingt nach und regt zum Denken an. Er ist ein Versprechen.
Doch ist es auch eines, das wir bei Betula halten können?
Wenn man nach Definitionen des Begriffes «Mensch» sucht, wird schnell klar, dass er mehr ist als bloss eine Weiterentwicklung seiner Vorfahren. Der Mensch, wie wir ihn heute kennen, ist abhängig von Sozialisation und Kultur. Der Mensch hat es geschafft, ein Bewusstsein für sich selbst zu entwickeln und nicht ausschliesslich seinen Trieben zu folgen, sondern auch die Bedürfnisse und Gefühle anderer in sein Handeln mit einzubeziehen.
Und genau darum soll es doch gehen, wenn man ans Credo «Mensch zuerst» denkt. Den Menschen als Ganzes, mit all seinen Gefühlen, seiner Geschichte und seinen Bedürfnissen zu betrachten und zu achten. Wenn ich da an frühere Praktiken im psychiatrischen Alltag denke, graut es mir. Genauso, wenn ich daran denke, wie mit Menschen noch heute in allen Teilen dieser Welt umgegangen wird – wenn Eigeninteressen wichtiger sind als die Menschen, die davon betroffen sind.
Im Betula leben Menschen mit einem reichen Erfahrungsschatz, darunter auch das psychische Leiden. Wir sind als Institution eine Verpflichtung eingegangen, Diagnosen und damit einhergehende Verhaltensweisen weder zu pauschalisieren, noch den Menschen auf diese zu reduzieren. Wenn wir von diesem Weg abkommen, sind wir und die Menschen um uns herum in akuter Gefahr, in ebensolche Zustände zurückzukehren, von denen wir uns nach langwieriger und harter Arbeit endlich loslösen konnten. Was für ein Rückschritt dies wäre, was für eine Verschwendung.
Wir haben das Glück, im Betula unglaublich tolle Menschen begleiten zu können.
Ein bunter Strauss an Erfahrungen wird uns tagtäglich offeriert, und wir als «Profis» dürfen jeden Tag davon zehren und Teil davon sein.
Dies sollen wir, müssen wir, mit barer Münze zurückzahlen und dem Menschen mit der Wertschätzung und Achtung begegnen, die er verdient. Nichts weniger.