Stefan Ribler: Karin, du hast im Voraus keine Fragen zur Vorbereitung erhalten. Dieses Gespräch soll spontan sein, so – wie ich denke – die Themen deiner Blogs entstehen: aus dem Alltag, aus Gesprächen, Beobachtungen. Ich habe dieses Interview in 3 Hauptthemen unterteilt. Beginnen wir mit dir:
Karin die Bloggerin
Wie bist Du zur Bloggerin geworden?
Eigentlich per Zufall. Der Grundstein war das Sozialraumprojekt „Nah dran“ von Betula.
Damit das Projekt bekannter wurde, verfasste ich Texte dazu, beschrieb die Idee, ermutigte zum Mitmachen.
Auf diese Texte erhielt ich einige positive Rückmeldungen, woraufhin der Betula Blog weitergeführt wurde.
Wie findest Du Deine Themen zu den Blogs?
Per Zufall. Ich bin keine Person, die Blogs plant. Ich denke nicht: „Über dieses Thema möchte ich schreiben.“
Hingegen habe ich immer ein Notizheft dabei, welches inzwischen vollgeschrieben ist. Ich notiere, was ich unterwegs höre, was ich sehe oder was mich aus Kommentarspalten bewegt.
Stefan Ribler: Genau das machen deine Blogs aus. Sie entstehen aus dem Leben heraus, sind spontan. Zum Beispiel auch nach deinem letzten Blog, gingen viele Reaktionen ein.
Nimmst Du Veränderungen in Bezug zu den Reaktionen auf Deine Blogs wahr?
Ja. Heute erhalte ich mehr Kommentare als zu jener Zeit, wo ich über den Sozialraum gebloggt habe.
Der letzte Blog mit dem Thema Grenzverletzungen betrifft viele selber. Daher erhalte ich wahrscheinlich auch mehr Reaktionen.
Stefan Ribler: Ja. Er ist sicher greifbarer und es geht auch um Integrität.
Welcher Blog zeigte die meisten Reaktionen?
Mein Abschiedsblog. (Anmerkung: Karin beendete nach der Geburt ihres Kindes das Arbeitsverhältnis mit Betula und verfasst ihren «letzten Blog» als Betula-Mitarbeiterin. Damals war noch nicht bekannt, dass sie weiterhin Blogs schreiben wird.)
Der zweite war derjenige über die Lohngleichheit.
Wo erhältst du Reaktionen?
Auf allen Ebenen. Direkt ein Kommentar beim Blog, per Mail und auch im privaten Bereich.
Stefan: Auch auf Linkedin und Twitter gibt es Reaktionen.
Musstest Du Dich auch schon mit Trolls und Shitstorms auseinandersetzen?
Jawohl, das ist tatsächlich geschehen, von einer Person. Wobei ich vermute, dass es ein Fake-Profil war. Es war nach dem Thema: „Was ist ein guter Sozialarbeiter?“
Die Reaktion erhielt ich über Facebook als Privatnachricht. Daher entdeckte ich diesen Kommentar auch erst sehr spät.
Diese Person hat sich über Sozialarbeiter sehr negativ geäussert und da ich nicht geantwortet hatte, fühlte sie sich bestätigt und die Kommentare wurden immer heftiger… Ich habe weiterhin nicht reagiert, nach 2-3 Mails hörten die Beleidigungen auf.
Welches war das provokanteste Thema?
Ich glaube, als ich ein wenig politisch wurde. Es ging um eine Abstimmung über die Überwachung von Sozialhilfe Bezügern.
Digitale Transformation
Wie siehst Du als aktive Bloggerin die digitale Transformation?
Schwierig. Es hängt davon ab, wie man die digitalen Medien nutzt.
Es ist so einfach zu teilen. Die Gefahren zum Beispiel betreffend Cybermobbing sind hingegen gross.
Hast du das Gefühl, wenn die digitale Möglichkeit nicht wäre, würdest du dann Leserbriefe schreiben?
Leserbriefe würde ich nicht schreiben.
Was macht es einfacher?
Ich weiss es eigentlich nicht. Vielleicht, weil der Leserbrief sich verbindlicher anfühlt. Mit dem Leserbrief teile ich meine Meinung zu einem Thema mit.
Beim Bloggen kann ich schreiben, ohne meine Meinung offenkundig mitzuteilen oder habe die Möglichkeit, nicht spezifisch auf ein Thema einzugehen.
Wo sind Herausforderungen festzuhalten in Bezug auf die digitale Transformation?
Was mich sehr betroffen hat, ist der Fall von Celine.
Ich habe Angst, dass mein Kind in so etwas hineingerät. Online ist online, ist nicht gelöscht.
Ich habe auch Angst, dass die reale Welt verloren geht. Ich möchte, dass mein Kind in den Wald geht, sich draussen bewegt und nicht nur digital unterwegs ist oder gar süchtig wird.
Wie oder mit was verbindest Du Soziale Arbeit und digitale Transformation?
Im Moment komme ich mit diesem Thema nicht in Berührung.
Hingegen erfahre ich bei Kolleginnen, die mit Jugendlichen arbeiten, dass diese stattfindet.
Dein Vorteil / Dein Lustgewinn durch digitale Möglichkeiten?
Das Vernetzen mit den Menschen gefällt mir.
Auf Instagram kann ich unkompliziert nach einem Thema suchen und erhalte schnell viele Antworten. Und Facebook hilft Distanzen zu überwinden, man ist sich immer noch nahe.
Dies & Das rund um die Blogthemen
Welches Thema, das Du in einem Deiner Blogs aufgenommen hast, beschäftigt Dich auch heute noch nachhaltig?
Das Thema mit den Windeln „Wickeln im Zug“. Die Kommentare dazu und auch diejenigen bei den Online-Medien waren gewaltig.
Es beschäftigt mich immer noch, dass Menschen so kinderunfreundlich sein können. Das macht mich traurig.
Wie kann es sein, dass eine volle Windel zu einem Riesenproblem wird!?
Dein Sohn, Du als Mama und die digitale Zukunft!
Welche Gedanken machst Du Dir?
Seine persönliche Integrität ist mir sehr wichtig.
Zum Beispiel poste ich allgemein keine Fotos auf denen er mit dem ganzen Gesicht erkennbar ist und grenzüberschreitende schon gar nicht.
Welche Themen stehen an?
Sicher werde ich nochmals einen Klimablog verfassen.
Die anderen Blogs entstehen wie gesagt spontan.
Du hast gesagt, ein Vorteil ist, die Themen von einer anderen Seite anzugehen, nicht politisch, vage bleiben. Du bist ein «Trigger» für Gedankengänge.
Wenn du an die letzten Nachrichten zur AfD denkst, wäre das auch ein Thema für dich als Bloggerin?
Ja, ich würde aber keinen Rundumschlag machen.
Lieber würde ich ein passendes Zitat suchen, mir darüber Gedanken machen und hoffentlich mit meinen Worten andere Menschen zu Gedanken anregen.
Es gibt viele Blogs. Viele arbeiten mit Listen.
Wieso hast du keine Liste?
Das möchte ich nicht. Beim Bloggen stört das meine Kreativität.
Und was haben die Menschen davon, wenn ich meine Liste zeige?
Dein höchster persönlicher Wunsch als Blogerin ist?
Da bin ich auf dem Boden geblieben: Weiterhin Spass beim Schreiben.
Sobald es anstrengend wird, muss ich aufhören, dann bin ich nicht mehr mich selber.
Und noch als letzte Frage: Kennst du eine Schreibblockade?
Klar. Wobei es nicht bedeutet, dass ich kein Thema hätte. Es ist dann so, dass ich meine Gedanken nicht auf das Blatt – den Blog – bringe.
Anno 2020