Sozialpädagoge in Ausbildung im Blickfeld einer Ausbildnerin 30 | 52

Woche 30: Warum studieren wir Soziale Arbeit; Studienkolleginnen und -kollegen von Ivo Reich legen ihre Motivation zur Wahl des Studiengangs Soziale Arbeit dar. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe und Zugänge zum Studium und zur Berufswahl Soziale Arbeit.

Vier verschiedene Aussagen von Studierenden zu Beginn ihres Studiums, ganz verschiedene Ausgangslagen:

1)      Die Ausbildung in Sozialer Arbeit bedeutet für mich die Aussicht auf einen sehr abwechslungsreichen Beruf, der Beruf macht Spass, hat mit Menschen zu tun, man sieht die Wirkung; wenn man am Abend heimkommt, ist man zufrieden, man hat etwas Gutes gemacht.

2)      Man erwartet vielleicht zu viel, man wird mit Problemen konfrontiert, es ist noch viel mehr (Anforderung, Inhalt?) als erwartet, man kann sich mit sich selber beschäftigen. Ich weiss noch nicht, ob es der richtige Weg ist.

3)      Probleme von anderen Menschen beschäftigen mich, ich habe mich entschlossen, dies zum Beruf zu machen.

4)      Probleme von anderen Menschen betreffen mich, sie haben viel mit der Gesellschaft zu tun. Indem man Menschen unterstützen, begleiten kann, kann man neue Perspektiven schaffen. Vielleicht ist das etwas idealistisch, aber es braucht es.

In ihrer schon einmal zitierten Nationalfond-Studie (Woche 3) haben sich Peter Schallberger und Alfred Schwendener mit Motiven für ein Studium in Sozialer Arbeit auseinandergesetzt.

Sie unterscheiden in ihrer Studie verschiedene Motivationstypen: viele angehende Studierende haben eher unspezifische Erwartungen an das Handlungsfeld. Vor allem bei jüngeren Studierenden sei die Motivlage auf eine „Verstetigung lebensweltlicher Orientierungen, im Zusammenhang mit den Herausforderungen des Erwachsenwerdens“ nachzuvollziehen. (Peter Schallberger, Alfred Schwendener, Studienwahlmotive bei angehenden Studierenden der Sozialen Arbeit, in: Neue Praxis 6/2008, S. 609 – 630)

Oft sind biografische Hintergründe zu erkennen bei Studierenden, die sich als angehende Experten für soziale Ungerechtigkeit und individuelles Leiden sehen; Studierende, welche sich aus einer unmittelbaren biografischen Anknüpfung für ein Studium entscheiden, orientieren sich oft an Ausbildungsinhalten auf der Mikroebene der sozialarbeiterischen Praxis, sie erwarten z.B. den Erwerb einer praktischen Handlungskompetenz  sowie „Handlungssicherheit in der beraterischen, pädagogischen poder therapeutischen  Interaktion mit Klientinnen und Klienten“. Das Streben nach mehr (Handlungs-) Kompetenzen  stützt sich im weitesten Sinne auf erlebte Verunsicherungen  bzw. Krisenerfahrungen, und die damit erlebte Hilflosigkeit, z.B. eine Originalaussage: „Oft komme ich im Arbeitsalltag an Situationen, bei denen ich mir nicht sicher bin, wie ich nun am Besten an die Situation herantreten oder damit umgehen soll. Auch bei Gesprächen mit Klienten bin ich manchmal unsicher, inwiefern ich mich auf mein Gegenüber einlassen soll oder darf.“ (S. 620/21)

Bei der Erwartung von mehr Kompetenzen bestehen oft bereits vor dem Studienbeginn relativ präzise Vorstellungen über die Herausforderungen, welche auf angehende Professionelle zukommen. Wenn sich diese nicht erfüllen, treten erste Verunsicherungen auf. Dies wird deutlich bei der Aussage der Studentin im Videoclip, welche sich nicht ganz sicher ist, ob das Studium ihren Vorstellungen entspricht, sie scheint auch etwas unsicher zu sein, ob sie die richtige Ausbildung gewählt hat.

Meist verbunden mit Fragen der Motivation ist das individuelle Bedürfnis, durch Helfen, Unterstützen anderer Menschen einen Sinn in der eigenen Tätigkeit zu finden. Dieses Bestreben ist nachvollziehbar, ist es doch für jegliche Berufsfindung von Bedeutung, Eine Helfermotivation kann dann problematisch werden, wenn sie nicht mit der kontinuierlichen Reflexion der Berufsrolle einher geht (z.B. im Rahmen von kollegialem Austausch, Intervision, Supervision, etc.)

Diese Vielfalt an Motivationen, ein Studium der Sozialen Arbeit aufzunehmen, spiegelt die unterschiedlichen Wege ins Studium, welche „in hohem Masse für ganz unterschiedliche biographische Interessen und Lebensziele ‚benutzt’ werden kann, d.h. extrem funktionalisierbar ist“ (Heinemeier 1994, 211; in Thole/Cloos 2003, 6, zit. in: Marcel Meier Kressig / Herbert Meier, DO-RE Forschungsprojekt, Sozialpädagogische Berufs-/Professionsverständnisse im Heimbereich.)

In ihrer Studie zeigen die beiden Autoren anhand von exemplarischen Interviews mit Studierenden während der Ausbildung, dass sich das Spannungsfeld zwischen Erwartung und tatsächlichem Erleben des Studiums vor allem an einem Aspekt kristallisiert:

Im Laufe einer Berufsentwicklung gilt es immer wieder, sich mit regelmässig wiederkehrenden Orientierungskrisen auseinander zu setzen, z.B. mit der Ungewissheit, in welchem sozialpädagogischen Arbeitsfeld man tätig sein wird bzw. mit welchen Klientengruppen man arbeiten möchte. Immer wieder kreisen die Fragen um Orientierung in Ausbildung und Praxis, und um die Thematik: wie kann Professionalität im Alltagsgefüge mit der ganzen Fülle von unterschiedlichen Aufgaben gelebt werden? Solche Krisen können sich noch fundamentaler in der Frage äussern, ob man überhaupt diesen Beruf künftig ausüben möchte, ob dieser Beruf eine Basis für eine langfristige Berufstätigkeit darstellen werde.

Durchgängig wird am Ende der Ausbildung von den am Interview beteiligten Studierenden dann doch der Wunsch formuliert, sich nun nach Ende der Ausbildung auf die Praxis der Sozialen Arbeit einzulassen.

Gemäss der Studie scheint sich abzuzeichnen, „dass die Entwicklung eines beruflichen Habitus als Aufgabe der Ausbildung nur dann lösbar ist, wenn es gelingt an die biographisch gewachsenen Berufsbilder und Motivationen anzuknüpfen. Allein die Vermittlung von Fach- und Methodenkompetenz reichen in diesem Arbeitsbereich nicht aus. Es gilt unterschiedliche Ausbildungsangebote zu entwickeln, die die Auseinandersetzung mit dem angestrebten professionellen Selbstverständnis fördern. Hier haben die angebotenen Praktika einen wichtigen Stellenwert.“ (Marcel Meier Kressig / Herbert Meier, DO-RE Forschungsprojekt, Sozialpädagogische Berufs-/Professionsverständnisse im Heimbereich, S. 148)

Rosmarie Arnold, Dozentin, FHS

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