Woche 36: Gesprächsführung in der Alltagsgestaltung.
Institutionsleiter Christian Brönimann erläutert die Wichtigkeit und die methodischen Ansätze der lösungsorientierten Gesprächsführung. Die unmittelbare Wertschöpfung der Ausbildung in der Gesprächsführung in der Praxis.
Christian Brönimann unterscheidet zwei Aspekte von Gesprächsführung im Alltag: Gespräche im alltäglichen Kontakt mit Bewohner/innen und die Reflexionsgespräche; diese Unterscheidung ist sinnvoll und macht deutlich, was Studierende im Ausbildungsprozess zu differenzieren lernen müssen:
Die Anwendung bzw. Verwendung von Sprache im professionellen Umgang ist wohl eine der wichtigsten Herausforderungen für unsere Studierenden: insbesondere die Fähigkeit zu entwickeln, Settings und Zielgruppen unterscheiden zu können und Sprache differenziert einzusetzen.
Angehende Studierende kommen in der Regel in die Ausbildung mit einer Vielfalt von biografisch angeeigneten Ausdrucksweisen. Was allen am meisten vertraut ist, ist die Alltagssprache – welche sie allerdings in verschiedenen schulischen Settings unterschiedlich ausgeprägt und differenziert haben. Trotzdem ist es zu Beginn einer Hochschulausbildung oft eine grosse Herausforderung, die Fachsprache – oft als akademische und abstrakte Sprache erlebt – zu verstehen, sich darauf einzulassen, sie zu begreifen, sich daran zu gewöhnen. Fachliche Argumentationen folgen einem anderen Aufbau als Alltagsgespräche im kollegialen Umfeld.
Im Verlauf ihrer Ausbildung lernen Studierende, die Sprache nach Settings und Zielgruppen zu differenzieren und zu gestalten. Sie müssen lernen, Sprache differenziert anzuwenden. Zunächst üben sie dies im schriftlichen sprachlichen Ausdruck: In der Begleitung von Seminararbeiten, eine der ersten schriftlichen Arbeiten, stelle ich oft fest, dass je nach schulbiografischem Hintergrund, Studierende ihre „Schul-Aufsatz“-Erfahrungen benutzen. Daher ist es ein anspruchsvoller Schritt, sich einer neuen Art des Denkens und Folgerns zuzuwenden – den Aufbau einer fachlichen Argumentation zu verstehen und anzuwenden – da die Logik des Argumentierens der Alltagslogik zum Teil entgegensteht. Es geht darum, nicht bei der eigenen Erfahrung zu argumentieren beginnen, sondern aus fachlich analytischer Sicht, mit vielfältigem Bezug auf bereits bestehende Wissensbestände (Erklärungswissen); dies ist ein Schritt, den es prozesshaft zu vollziehen gilt.
Das Gleiche gilt für die Gesprächsführung: Studierende lernen, dass sie sich in Fach- Experten – bzw. interdisziplinären Settings anders ausdrücken müssen als in Gesprächen mit Klientinnen und Klienten. Das eigentlich Schwierige dabei ist, diese Sprache wieder in Alltagssprache zu übersetzen, ohne banal oder plakativ zu werden. Dies erfordert eine hohe Konzentration und Bewusstheit.
Wie Christian Brönimann betont, ist es unverzichtbar und ein Akt des Respekts, mit Klientinnen und Klienten in ihrer Sprache und auf ihrer Ebene zu kommunizieren. Auch wenn wir daher im beruflichen Alltag in alltäglichen Settings (beim Spazieren, Kochen, Einkaufen, Freizeit usw.) Alltagssprache verwenden, „läuft“ im Hintergrund das professionelle „Wissen und Können“ immer mit; ich nenne das jeweils gerne den „professionellen Rucksack“, welcher unsere professionelle Intuition füttert bzw. steuert. Diese professionelle Intuition müsste eigentlich immer mitlaufen, auch wenn wir hoffentlich (!!!) spontan und entspannt mit Klient/innen in Alltagssituationen umgehen.
Die Unterscheidung der Gespräche, wie sie Christian Brönimann macht, macht aus meiner Sicht daher viel Sinn: Die Bewohnerinnen und Bewohner wissen ohnehin, dass wir eine andere Rolle innehaben als sie.
Ganz spannend ist daher auch der Aspekt des Vorbildes: Christian Brönimann zeigt auf, wie sehr sich die Bewohnerinnen und Bewohner selber in gewisser Weise die Sprache der Betreuer/innen anzueignen beginnen, wie sie das lösungsorientierte Modell zu verstehen beginnen anhand der Art und Weise, wie sie die Sprache am eigenen Leib erleben. Daher gewinnen auch die Reflexionsgespräche einen wichtigen Stellenwert im Alltag der Bewohner/innen. Folgerichtig macht es Sinn, dass Gespräche gerade auch dann stattfinden, wenn kein definiertes Problem vorliegt, sondern es darum geht, sich im Rahmen einer Standortbestimmung auszutauschen, Kontakt zu halten.
Rosmarie Arnold, Dozentin, FHS