Sozialpädagoge in Ausbildung im Blickfeld einer Ausbildnerin 26 | 52

Woche 26: Frohe Weihnachten. Ivo Reich berichtet über die Weihnachtsvorbereitungen in der Wohngruppe Tilia.

Halbzeit! Bereits ein halbes Jahr lang berichtet Ivo Reich aus seinem beruflichen und Ausbildungsalltag und gibt uns immer auch wieder  einen Einblick in die Art, wie er Beruf, Ausbildung und persönliche Kompetenzen, bzw. seinen privaten Alltag mit all diesen Bereichen verknüpft.

Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass gerade Weihnachten in der Mitte dieses Projektes steht: Weihnachten ist m.E. ein guter Anlass, um sich bewusst zu werden, wie wichtig es ist, dass Rituale den Lebensalltag „strukturieren“. Wohl ist Weihnachten ein durchaus ambivalent empfundenes Ritual – es lässt in seiner Vielfalt der Bedeutungen / der Inhalte  / der Sinngebungen keinen wirklich kalt: weder  jene, die im Ritual aufgehen, noch jene, welche die Bedeutung, den Inhalt bzw. die Art und Weise, wie das Ritual gelebt wird, als Provokation erleben – es ablehnen; zum Beispiel, weil gerade dieses christliche Ritual eingrenzen oder ausgrenzen, sich seines Sinnes entledigen kann.

Nichtsdestotrotz: Zeremonielles Handeln scheint tief in unserer sozialen Struktur verankert zu sein. Beim Einbezug von Ritualen geht es um Verhaltensroutinen, deren Sinn wir uns nur noch schemenhaft bewusst sind. Rituale strukturieren unsere erlebte Zeit. Das Phänomen Zeit ist ja letztendlich mit unseren begrenzten Möglichkeiten des sinnlichen Wahrnehmens nicht wahrnehmbar. Die kurze Strecke, die wir im Rahmen eines Menschenlebens auf dieser fliessenden Zeitachse erleben, wird strukturiert, damit die Lebenszeit in unserer Wahrnehmung nicht einfach so davon fliesst… Für die begrenzte Zeit, in welcher wir leben, gilt es daher, den Zeit-Raum zu strukturieren.

Rituale bestehen gemäss Definition aus standardisierten, oft auch stereotyp wiederholten Handlungen. Durch die Wiederholbarkeit können sie öffentlich werden und mit anderen Menschen geteilt werden. Weihnachten ist im Sinne der Definition eher ein Ritualkomplex mit verschiedenen Haupt – und Nebenritualen.

Rituale schaffen Vertrauen in bestehende Verhältnisse, indem sie psychosoziale Grenzziehungen  von Gemeinschaften bestätigen. Manche Ritualhandlungen können dazu dienen, ohne verbale Sprache Emotionen auszudrücken und zu kanalisieren. Ivo Reich betont diesen Aspekt, indem er betont, wie wichtig es ist, mit den Bewohner/innen zu feiern, den (besonderen) Tag zu geniessen, Geschenke zu machen, das Haus zu dekorieren, mit Kerzen den Raum zu gestalten, Atmosphäre zu schaffen. Gerade für Menschen, welche sich sprachlich nur bedingt ausdrücken können, hat diese Ebene des menschlichen Austausches eine enorm hohe Bedeutung, um sich in der Gemeinschaft verstanden und getragen zu wissen.

Rituale sind keineswegs nur starr oder sinnentleert. Sie stellen oft lebendige Ereignisse dar, in der sich Menschen in der Gemeinschaft immer wieder neu finden und orientieren können.

Die Bewohner/innen des Betula sind mit den Gedanken beim Fest, sie denken an Geschenke, an die Zeit  mit der Familie, gestalten gemeinsam den Übergang, den Jahreswechsel, es ist eine spezielle Zeit.

Die Vorstellung, dass sich im Ritual stets das Alte wiederholt, ist längst wiederlegt. Untersuchungen von Kulturwissenschaftlern zeigen, dass sich Rituale fortlaufend erneuern, sogar Neues geradezu provozieren.  So verbindet auch Ivo Reich seine Überlegungen zur Gestaltung des Weihnachtsfestes mit den Bewohnern sogleich mit Vorsätzen und Wünschen: dass es auch in der neuen Zeit so gut klappen soll wie in der vergangenen Zeit, dass die Kontinuität einer als gut erlebten Entwicklung gewahrt werden kann – dass es nun darum geht, am Gelingenden anzusetzen und daran weiter zu arbeiten.

Das wünsche ich Euch von Herzen!

Rosmarie Arnold, Dozentin FHS

 

PS: und weil ich‘s Gedichte zitieren nicht lassen kann:

„Was ich mir wünsche?
Dass der, den ich liebe,

mich für das Weilchen, das ich noch lebe,

wirklich lieb hat,

und dass ich ihm das

immer leicht machen kann.

Vielleicht vergisst er mich

dann auch nachher

nicht ganz.“

(Christine Busta, Brief ans Christkind)

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