Karin Morgenthaler, Sozialarbeiterin, Mama, Bloggerin, …
Habe ich während meiner Zeit in diversen Organisationen die Klientinnen und Klienten gefragt, was sie sich wünschen in der Zukunft, kamen fast immer folgende zwei Wünsche: eine eigene Wohnung und eine Arbeit. Eine «richtige Arbeit, weisst du», kam meist als nachgeschobener Satz. Mit «richtiger Arbeit» ist eine Stelle im 1. Arbeitsmarkt gemeint.
Stellen wir uns folgende Szenarien vor:
Eine Frau mit zwanghafter Persönlichkeit arbeitet in der Buchhaltung. Weshalb? Sie ist penibel, genau, gibt nicht auf bevor nicht auch der letzte Rappen stimmt.
Ein Mann mit einer depressiven Erkrankung schreibt in einer Phase, in der es ihm besser geht, ein Drama für das Stadttheater. So genau beschrieben, so mitreissend, dass das Publikum dies mit standing ovations guttieren wird.
Ein Mann mit einer manisch-depressiven Erkrankung arbeitet während seiner «Manie» in einer Marketingfirma und bringt so kreative Ideen ein, dass alle anderen vor Neid erblassen. Und wie viel Energie er hat! Kaum Pausen und dafür noch mehr Ideen, neue Einfälle, neue Wege, die beschritten werden können.
Die eben genannten Szenarien dünken Sie voll Vorurteilen Menschen mit einer psychischen Erkrankung gegenüber? Ja gopf, es sind doch nicht alle Menschen mit zwanghaften Persönlichkeiten so genau und penibel! Und überhaupt, solche Theaterstücke kann nicht jeder schreiben. Und im Fall, nicht jeder manisch-depressiv Erkrankte würde in einer Marketingfirma arbeiten.
Ja, das sind Vorurteile, welcher ich mich bedient habe. Jedoch nicht weniger Vorurteil, als es ansonsten in der entgegengesetzten Richtung gibt: Menschen mit einer psychischen Erkrankung können nicht arbeiten, was denn auch. Und wenn sie so oft fehlen, aufgrund der Überbelastung, kostet das zig-Franken.
«Ein Urteil lässt sich widerlegen, aber niemals ein Vorurteil.» – Marie von Ebner-Eschenbach, mährisch-österreichische Schriftstellerin