Sind wir doch alle mal wieder etwas mehr «retro», wenn auch nur für einen Tag.

Der Beruf der Sozialarbeitenden ist ganz nah am Menschen. Ein schöner Beruf. Denn: Zeit für das Gegenüber haben zeichnet jenen aus.

von Karin Morgenthaler

Liest man in verstaubten Büchern, so ist oder war der Sozialarbeiter ein Mensch mit schier endlos viel Zeit für das Gegenüber. Eine Notiz reichte, um das Gespräch zu dokumentieren. Denn das Resultat war ja sichtbar: die Menschen kamen in die Beratung, in das Coaching, zu den Terminen.  Lange Gespräche, vielleicht noch mit einer wärmenden Tasse Tee. Ja, so wird das beschrieben und so stellen sich – heute noch – viele Menschen die Sozialarbeit vor.

Auch ich träume davon – ja, so ein Zeitsprung zurück wäre doch was (mal abgesehen davon, dass damals der Berufsstand noch keineswegs auch nur halb so etabliert war wie heute. Obwohl natürlich heute auch noch viel fehlt. Aber das wäre ein Thema für einen neuen Blog). Ja, es darf von mir aus auch nur mal eine einzelne Woche sein. Warum? Darum:

Weil es dann für einmal nicht nötig wäre, daran zu denken, dass noch ein Überprüfungsbericht, ein Standortprotokoll und noch ein Sitzungsprotokoll zu schreiben sind.

Weil es dann mal nicht nötig wäre, so genau zu dokumentieren, was man macht, um den geldgebenden Instanzen zu «beweisen», dass auch tatsächlich gearbeitet wird.

Weil es in diesem Hinblick auch nicht nötig wäre, das Augenmerk auf das zu legen, was die Klientinnen und Klienten NICHT können – weil, wenn dokumentiert wird, dass alles klappt, fliesst kein Geld.

Ist es nicht sowieso etwas ungünstig, dass bewiesen werden muss, dass tatsächlich gearbeitet wird? Nur schon alleine die Tatsache, dass Menschen Hilfe in Anspruch nehmen und Angebote nutzen, dass Menschen zum Beispiel nach einem langen psychiatrischen Aufenthalt in ein Wohnheim wechseln, sollte das nicht schon reichen, um eine Finanzierung zu sichern? Ohne dass auf die Defizite geachtet werden muss? Aber ich merke: auch das wäre ein Thema für einen Blog.

Was ich eigentlich sagen wollte: wären oben genannte Punkte nicht so mächtig und hingen nicht wie ein «Damokles-Schwert» über den Sozialarbeitenden – gäbe das eine schöne Erleichterung in der täglichen Arbeit.

So wünsche ich mir, dass wir doch manchmal in einer früheren Zeit leben würden, jedoch mit dem Wissen von heute.

Sind wir doch alle mal wieder etwas mehr «retro», wenn auch nur für einen Tag.

«Die Zeit ist schlecht? Wohlan. Du bist da, sie besser zu machen.» – Thomas Carlyle, schottischer Historiker

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