Und wie sieht es bei uns aus

Karin Morgenthaler, Sozialarbeiterin, Mama, Bloggerin, …

„Wie ist es eigentlich, in diesen Zeiten im Sozialbereich zu arbeiten?“ Diese Frage wurde an mich herangetragen. Für alle, die es nicht wissen: ich mache eine Vertretung im Betula. Ja, es stimmt schon (und stimmt mich glücklich): ich komme von diesem Betula einfach nicht los!

So habe ich mit Freude „JA“ gesagt, als die Frage nach Vertretung gekommen ist. Damals – wissen Sie noch? – als ich gerade im Strassencafé sass, mit einer Tasche voll Frühlingskleider, die ich gekauft hatte. Ja genau, vor Corona.

Nun bin ich also vor einiger Zeit gestartet, mitten im Beginn der Coronakrise.

Bei Dienstantritt wird erstmal alles desinfiziert, sprich, der eigene Arbeitsplatz und all das, was laut Pandemieputzplan geputzt werden muss. Und nein, das ist nicht wenig. Gut – wenn das erledigt ist, beginnt die Arbeit, die eigentliche Arbeit. Verlaufsjournale lesen, Mails beantworten, Bezugspersonengespräche führen, Medikamente abholen / bestellen, und so weiter und so fort. Klingt alles total „normal“. Stimmt. Ausser, dass akribisch auf Abstand geachtet wird, auf eine adäquate Handhygiene, auf keine Berührungen und sowieso: alles mit zwei Meter Luftraum dazwischen. Geld auszahlen? Nicht mehr: „hier“, sondern ich nehme das Geld raus, leg es auf den Tisch weit entfernt, nehme Abstand und dann kann das Geld genommen werden.

Und nein, das ist nicht das Anstrengende. Das Anstrengende ist, dass Ängste und Sorgen der Bewohnenden oftmals dieselben sind, die mich auch beschäftigen. Dass ich keine Antworten oder Lösungen parat habe. Dass die Fragen, die an mich herangetragen werden, denen entsprechen, die ich auch habe.

Dass die für mich schon anstrengende Isolation und die extrem minimierten sozialen Kontakte, für Menschen mit einer psychischen Erkrankung noch viel anstrengender sind. Ein geregelter Tagesablauf mit einer Tagesbeschäftigung ist für viele Betroffene enorm wichtig. Wenn das nach und nach wegfällt – was dann?

Und so kann ich eigentlich nur sagen: im Sozialbereich zu arbeiten in diesen Zeiten ist anders. Ist wichtig, ist anstrengend, ist unbedingt nötig und stellt einem vor viele Fragen. In einem Bereich zu arbeiten, der nicht mit Homeoffice abgedeckt werden kann, weil es Menschen vor Ort braucht, weil es Menschen vor Ort hat, die diese Menschen brauchen, zeigt einmal mehr, dass in diesem Bereich nicht gespart werden kann und darf.

Und so ist es in diesen Krisenzeiten umso wertvoller, wenn gemeinsam ein Tagesablauf zu Coronazeiten erarbeitet werden kann. Wenn wir unsere Gedanken teilen und ich (im besten Fall) vielleicht einen etwas anderen Blickwinkel auf das „Jetzt“ legen kann. Wenn es so ist, dass eingesehen wird, dass eben die Sozialarbeitenden auch keine Übermenschen sind mit „immer einer guten Lösung“, sondern wir alle im gleichen Boot (oder der gleichen Wohnung) sitzen und wir versuchen, die Tage möglichst entspannt und zur Zufriedenheit herumzubringen.

Und so wünsche ich uns allen eine gute Portion Geduld, Gesundheit, Humor und Gelassenheit! Und vielleicht einige spannende Kreuzworträtsel oder Sudokus. Und Bücher. Und Lieblingsfilme. Und Kuchenrezepte. Und, und, und.

„Es gibt tausend Krankheiten, aber nur eine Gesundheit.“ – Ludwig Börne, deutscher Journalist und Theaterkritiker

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