Als erwartende Person dauernd in einem Zustand des Wartens

Karin Morgenthaler, Sozialarbeiterin,  Mama, Bloggerin, …

Erwartungen. Gerade in Sozialberufen ein häufig gehörtes, gelesenes, gesprochenes Wort. Erwartungen an Klientinnen und Klienten werden – so meine Vermutung – häufiger gestellt als uns vielleicht bewusst ist. Mir jedenfalls ist es jeweils so ergangen.

Einträge wie:

«…habe ich die Erwartung ausgesprochen, dass bis nächsten Sonntag das Zimmer aufgeräumt wird.»

«Angesichts der prekären finanziellen Situation spreche ich die Erwartung aus, bis zur nächsten Lohnzahlung keine Games mehr zu kaufen.»

Und so weiter und so fort. Das Ganze geht natürlich auch mündlich.

Und wie so oft, wenn ich an Worten hängen bleibe, möchte ich den Duden fragen. Der meint, dass «die Erwartung» Folgendes bedeutet:

  • Zustand des Wartens, Spannung
  • Vorausschauende Vermutung, Annahme, Hoffnung

Ah ja.

«…habe ich die Hoffnung, dass bis nächsten Sonntag das Zimmer aufgeräumt wird.», tönt grad ganz anders, nicht?

Ich frage mich, ob wir überhaupt einer anderen Person – unabhängig davon, ob nun Klientinnen und Klienten oder nicht – eine Erwartung aussprechen können. Ob wir tatsächlich erwarten können, dass jemand dieses oder jenes macht und tut. Denn laut Duden bin ich als erwartende Person dauernd in einem Zustand des Wartens und gespannt, während die angesprochene Person unter Druck kommt. Und kann ich wirklich eine Handlung oder ein Verhalten erwarten? Ich meine, so richtig? So, wie es geschrieben oder gesagt wird? Ich erwarte von Ihnen eine Antwort auf diese Fragen in der Kommentarzeile.

Nein, natürlich nicht. Klingt doof, oder? Von oben herab? Nicht auf Augenhöhe? Ja, ich finde auch.

Und Hand aufs Herz: wie würden Sie reagieren, wenn Ihnen ein Klient oder eine Klientin sagen würde: «Ich erwarte von Ihnen, dass Sie das Standortgespräch an einem Mittwoch planen.»? Freuen Sie sich, dass mitgedacht und mitgeplant wird? Oder empfinden Sie es als unangebracht?

«Die grössten Enttäuschungen haben ihren Ursprung in zu grossen Erwartungen.» – Ernst Ferstl, österreichischer Lehrer und Schriftsteller

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Betula-Newsletter

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter und wir informieren Sie über Themen, News und Veranstaltungen von Betula.

Einverständnis Datenschutzerklärung *
Nach oben scrollen
Scroll to Top