Strategisch ungeschickte Züge zu spielen

Handy, PC, Tablet: auf all diesen Geräten sind Spiele oder diese können heruntergeladen werden. Vom einfachen „Solitär“, zum boomenden „angry birds“ bis hin zu Strategiespielen. Spielen wir bald nur noch gegen den Computer oder gegen wildfremde Menschen? Stirbt das Brettspiel aus?

von Karin Morgenthaler

Die Schauermärchen kursieren. „Letztens hat eine Freundin von mir erzählt, dass die Mutter der Arbeitskollegin meiner Cousine gesehen hat, wie ein Kleinkind vor dem Aquarium im Arztzimmer gesessen ist und mit den Fingern über die Scheibe gewischt hat, in der Hoffnung, der Hintergrund ändert sich. Wahnsinn, nicht? Wo kommen wir so bloss hin…?“

Traurig, diese Geschichte – wenn sie sich denn so ereignet hat. Hat sie sich? Ich weiss es nicht.

Ich glaube jedoch persönlich nicht, dass die digitalen Spiele die analogen verdrängen werden. Warum? Nun, ich kann nur für mich reden:

Ich finde für das analoge Spielen, also mit den Brett- und Kartenspielen, benötigt man mehr Fantasie. Viel mehr sogar. Man muss sich einleben in die Welt in der das Spiel spielt. Die analogen Spiele sind weniger konkret gestaltet als die PC-Spiele. Man hat also die Chance, sich die Charakteren, die Umwelt, die Gegner selber zu gestalten und vorzustellen.

Der grösste Pluspunkt der Brett- und Kartenspiele jedoch ist, dass ich meinem Gegenüber direkt in die Augen sehen kann, wenn ich ihn oder sie mit meinem „Töggeli“ in „Eile mit Weile“ überhole und somit „heim tue“. Ich kann mein Gegenüber beobachten, wie die nächsten, strategischen Spielzüge überlegt werden und die Freude, wenn es klappt oder das Grummeln, wenn der Würfel kein Glück bringt.

Ich kann die Mimik sehen, live und direkt.

Natürlich – bei gewissen Online-Games ist es üblich über Headsets verbunden zu sein. Jedoch fehlt häufig die Mimik. Und – nicht immer aber vielleicht oft – es fehlt die Vertrautheit. Gemeinsam am Küchen- oder Stubentisch zu sitzen. Zusammen zum Spiel etwas zu trinken und zu knabbern. Daneben noch über den Tag oder sonstige Dinge sprechen – tut man das wirklich mit Fremden, verbunden über ein Mikrophon?

Das Schöne am Brettspiel ist ja auch, dass Pausen gemacht werden können. Beispielsweise, um eine Zigarette zu rauchen. Um einen Kaffee zu machen. Um einen Tee zu trinken oder – ganz menschlich – mal aufs Klo zu gehen, ohne dass das rasante Onlinespiel voranschreitet und man den Anschluss verpasst. Ein Brettspiel ist derart verbindend und doch so abstrakt, dass – und sei es bloss für dieses eine Spiel – zwei Menschen (oder mehrere) sich voll und ganz auf etwas Gemeinsames konzentrieren. Und ganz nebenbei eine Freundschaft oder Beziehung pflegen.

Und unter uns: hat mich das Gegenüber in der letzten Woche mal genervt, ist es doch auch Balsam für die Seele, mal strategisch ungeschickte Züge zu spielen – nur um ihn oder sie auf das Feld eins zurückzusetzen 😉

In diesem Sinne: Spiele frei!

„Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ – Friedrich Schiller, Dichter und Historiker

1 Kommentar zu „Strategisch ungeschickte Züge zu spielen“

  1. Ja ich kenne das, und kann dir zustimmen! Spielte mit meinem grossvater noch mühle, schach und jasste, mit ihm.
    Er selber hatte seine schachzüge nicht aus dem compi sonder aus seinem tagi!
    Er war mein compi natürlich nur sinnbildlich. Weiss nicht wie ich jetzt denken würde wäre ich vor einem schach und mühle compi gessessen häte. Er erklärte mir jeder zug auch davor und danach war manchmal wütend manchmal glücklich. Danke für die anregung gelungen

    Gruss aeverine

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