« …wenn ich mit anderen Menschen wohnen will, welche ebenfalls manisch-depressiv sind, gehe ich entweder in ein Wohnheim oder in die Klinik.»

Karin Morgenthaler, Sozialarbeiterin,  Mama, Bloggerin, …

«Ich bin auf der Suche nach einer Wohnung, am Liebsten in einem Quartier mit anderen Jungfamilien.» Nadja M., 34, Mutter von zwei kleinen Kindern

«Wir möchten gerne in ein Quartier ziehen, in dem viele ältere Menschen wohnen. Halt so wie wir.» Herr und Frau S., 78 und 79, pensioniert

Kennen Sie das? So geht es uns doch allen, irgendwie. Oder? Mit Kindern wohne ich am Liebsten in einem Quartier oder einer Strasse oder einem Mehrfamilienhaus, in dem es weitere Kinder hat. Erstens, weil es natürlich lässig für die Kleinen ist, und zweitens, weil man dann auf Verständnis stösst, wenn Trotzphasen, Quengeln und Schreien, nächtliches Weinen, Umherwandern oder Wimmern an der Tages- beziehungsweise Nachtordnung ist.

Ältere Menschen wohnen vielleicht gerne in einem Quartier oder in einer Strasse, in der es weitere ältere Menschen hat. Man «kennt» die Herausforderungen des Alltags, man ist sich nah, weil man im gleichen Alter ist. Man hat abends seine Ruhe beim Gläschen Wein auf dem Balkon oder am Morgen, wenn man lüftet. Kein Kindergeschrei, keine Parties im oberen Stockwerk. Schön ruhig und gemütlich.

In den Gesprächen, welche ich mit Menschen mit einer psychischen oder körperlichen Erkrankung geführt habe, war es nie ein Kriterium, in einem Quartier zu wohnen mit anderen Menschen beispielsweise mit Depressionen oder die im Rollstuhl sitzen. Warum? Eine Frau hat dies einmal so beschrieben: « …wenn ich mit anderen Menschen wohnen will, welche ebenfalls manisch-depressiv sind, gehe ich entweder in ein Wohnheim oder in die Klinik.» Der Nutzen, welche Diversität, unterschiedliche Lebensentwürfe und Lebenssituationen darstellen, finde ich als Sozialraum-Liebhaberin unermesslich. Könnten sich pensionierte Menschen nicht eher auf die jüngere Nachbarin verlassen, wenn sie jemanden brauchen um einzukaufen, als auf Nachbarn, die selber 80 Jahre alt sind? Oder, wenn eine allein erziehende Mutter mal für zwei Stunden jemanden braucht, um auf das Kleinkind aufzupassen, hat dann nicht die Oma von nebenan mehr Kapazität, als eine weitere Familie mit 3 Kleinkindern? Klar – das ist jetzt überspitzt und verallgemeinert geschrieben. Doch worauf ich hinaus will: Unterschiede sind wertvoll, nie können Menschen so viel voneinander lernen, als wenn die Peergroups abweichend sind. Auch wenn dies heisst, dass der Student, der im 1. Stock wohnt, mal eine Party macht während das pensionierte Ehepaar im EG 10vor10 schaut oder ein Babygeschrei in der Nacht die berufstätige Anwältin aus dem Schlaf reisst.

«Eine Welt, die Platz für die Öffentlichkeit haben soll, kann nicht nur für eine Generation errichtet oder nur für die Lebenden geplant sein ; sie muss die Lebensspanne sterblicher Menschen übersteigen.» – Hannah Arendt, jüdische deutsch-amerikanische politische Theoretikerin und Publizistin

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