Aber denken darf man.

Menschen. Sie werden unterteilt in «mit Behinderung» oder… ja, oder in was noch? In der ÖV eigentlich nur in «mit oder ohne Behinderung». Spezialplätze und Normalplätze. Abfahrt!

von Karin Morgenthaler

«Bei Bedarf bitte diesen Platz an Menschen mit Behinderung freigeben.» So oder so ähnlich steht es jeweils im ersten Viererarbteil rechts, wenn man den Zug betritt. Ja, was für eine Behinderung ist denn da gemeint? Eine kognitive Behinderung? Psychische? Oder körperliche? Und: Wie sähe die Beschriftung in den Zügen denn korrekt aus?

Zum Beispiel:
«Bei Bedarf bitte diesen Platz an Menschen mit einer körperlichen Einschränkung freigeben.».

oder

«Bei Bedarf bitte diesen Platz an Menschen mit einer psychischen Erkrankung freigeben.»

oder

«Bei Bedarf bitte diesen Platz an Menschen mit einer kognitiven Einschränkung freigeben.»

Ja, nicht wahr, ich finde auch: das ist doch unsinnig und mühsam. Und: im Rahmen einer Gleichbehandlung, müsste dann nicht auch stehen: «Bei Bedarf bitte diesen Platz an Menschen ohne Behinderung freigeben.»? Oder: «Bei Bedarf bitte diesen Platz an Menschen ohne offensichtliche Behinderung oder Einschränkung freigeben.” – obwohl man das ja nie so genau sagen kann.»?

Und ja natürlich, ich denke utopisch und vielleicht unrealistisch. Aber denken darf man. Und zwar sind meine Gedanken eher dahingehend, dass ich es schade finde, dass die ÖV überhaupt solche Schilder anbringen muss. In einer inklusiven, gleichberechtigten, sich-auf-Augenhöhe-befindenden Gesellschaft wären solche Hinweise und Schilder eigentlich obsolet. Es würde nicht auf die Einschränkung hingewiesen. Es wäre total normal, wenn Leute anderen Menschen Platz machen, ohne dass ein Schild sie darauf aufmerksam macht. Muss extra auf eine Behinderung hingewiesen werden?

Ja, jaja, mir ist auch klar, dass es gut gemeint ist. Und in sich versunkene Pendelnde, welche Musik hören und Zeitung lesen und denen die Welt am Zugfenster vorbeirast, ohne dass sie etwas mitbekommen, durch solche Schilder darauf aufmerksam gemacht werden, dass es eben noch Mitreisende gibt, welche schlecht zu Fuss sind oder mit Assistenz-Hund einen geeigneten Platz benötigen.

Und mir ist auch klar, dass es sicherlich noch mehr Gründe gibt, solche Schilder anzubringen. Ich will weder anklagend wirken noch verurteilend. Das liegt mir wirklich fern. Ich mag es einfach zu überlegen, was die logische Konsequenz einer gleichberechtigten Gesellschaft wäre. Und das wäre, dass zig Schilder für wirklich alle in den Zügen sind. Oder eben keine. Oder nicht?

«Der Sinn des Reisens besteht darin, die Vorstellungen mit der Wirklichkeit auszugleichen, und anstatt zu denken, wie die Dinge sein könnten, sie so zu sehen, wie sie sind.» – Samuel Johnson, englischer Gelehrter, Lexikograf, Schriftsteller und Dichter

1 Kommentar zu „Aber denken darf man.“

  1. Ich störe mich auch an diesen schildern. Doch wenn ich mit meiner schwester unterwegs bin sind wie froh wenn diese Plätze eben frei sind. So sind wir dankbar und weniger am abwägen! Ob dies schild nur richtig oder falsch ist. Es ist immer eine sache des betrachten
    Im diesem sinne gute zyt severine

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