Aushalten! Es dauert lange und ist teilweise zermürbend.

Karin Morgenthaler, Sozialarbeiterin, Mama, Bloggerin, …

«Oh super, du bist Sozialarbeiterin. Ich hätte da mal eine Frage…..» Ein oft gehörter Satz von Menschen, die mich wenig kennen und doch meinen, ich könne alles beantworten.

«Ich habe folgendes Problem, da weisst du sicher, was zu tun ist….» Auch schon gehört, während den Bezugspersonengesprächen.

Ja, Sozialarbeitende haben eine fundierte Ausbildung. Viele Themen werden behandelt, Stunden um Stunden wird zugehört, mitgemacht, gelernt, auswendig gebüffelt, diskutiert. Und danach, im Berufsleben, packen wir jeden Tag Neues in unseren Rucksack.

Und im Alltag begegnen wir dann vielen Herausforderungen, die in der Ausbildung gar nicht Thema waren. Eine der grössten Herausforderungen für mich im Berufsleben ist – und das mag Sie vielleicht erstaunen – der Druck, eine Lösung zu finden oder auch die Erwartung des Gegenübers, dass ich das oder jenes jetzt einfach zu wissen habe.

Und ja klar, ich verstehe das vollkommen. Ich würde ja auch gerne so viel mehr wissen! Und damit so viele Probleme lösen können! Und doch, ich für mich, habe entdeckt, dass es nicht notwendig ist, alles zu wissen oder alles zu können. Und für mich ist das Gegenteil von Wissen nicht das Nicht-Wissen oder das Nicht-Können, sondern die Fähigkeit, etwas auch auszuhalten.

Und etwas auszuhalten ist – glauben Sie es mir – wirklich nicht einfach. Weder für das Gegenüber, noch für mich selbst. Ist das Aushalten der Job der Sozialarbeitenden? Sind sie nicht vielmehr da, um Sorgen, Ängste, Fragen möglichst schnell aufzulösen, um möglichst schnell wieder in «vertraute Gefilde» zu gelangen? Auf den ersten Blick mag das so sein – vielleicht hat die Gesellschaft immer noch dieses Bild vor Augen von Sozialarbeitenden mit dem Helfersyndrom. Und ja klar: ein ganzer Beratungs- und Begleitprozess würde schneller gehen, wenn Sozialarbeitende einfach alles wüssten, für alles eine Lösung hätten und selber Vorschläge zum weiteren Vorgehen machen würden. Doch hilfreich für möglicherweise weitere Krisen ist das nicht.

Was jedoch beide, Klient/in und Sozialarbeiter/-in, wissen müssen ist: Aushalten, auch das gemeinsame Aushalten, dauert. Es dauert lange und ist teilweise zermürbend. Und es kann ganz schön weh tun. Haltet man es dann aus, und kommt aus einer Krise heraus, meistert eine schwierige Aufgabe oder kann Vergangenes verarbeiten, merkt man: ich kann das. Auch für ein allfällig nächstes Mal.

Natürlich ist «Aushalten» nicht der Schlüssel für alles. Doch einerseits wird damit der Druck genommen, entweder alles wissen zu müssen oder sofort wieder funktionieren zu müssen.

Und das alleine ist vielleicht schon hilfreich.

«Durch unser Wissen unterscheiden wir uns nur wenig, in unserer grenzenlosen Unwissenheit aber sind wir alle gleich.» – Karl Raimund Popper, österreich-britischer Philosoph

2 Kommentare zu „Aushalten! Es dauert lange und ist teilweise zermürbend.“

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