Wie viel Sozialraum ist mein Kinderwagen?

Karin Morgenthaler, Sozialarbeiterin, Mama, Bloggerin, …

Einige von Ihnen kenne mich noch aus meinen Betula-Blog-Zeiten. Obwohl ich nicht mehr dort arbeite, komme ich nicht umhin, über mein Lieblings-Thema in der Arbeit, den Sozialraum, zu schreiben.

Die Liebe für den Sozialraum hat bei mir schon früh begonnen – nämlich bereits im Studium. Während meiner Tätigkeit für das Betula, hat sich diese Liebe dann in eine regelrechte Leidenschaft manifestiert. Und ich finde: zu Recht! Der Sozialraum an sich und die Ressourcen, die so ein Sozialraum bietet, unübertrefflich! Und doch, im Alltag sieht es anders aus. Hand aufs Herz: wie viel Kontakt haben Sie mit Ihren Nachbarn? Mit den Menschen, die sich in IHREM Sozialraum befinden? Sind Sie offen für Neues? Oder bleiben Sie doch lieber beim Altbewährten?

Wenn Sie offen für Neues sind, rate ich Ihnen: fahren Sie Ihren Sozialraum spazieren. Nein, Sie haben sich nicht verlesen. Wie das geht? Hier:

Ich bin Mami. Ich bewege mich so oft es geht zu Fuss fort und schiebe einen Kinderwagen. Und genau jener ist ein mobiler, sich verschiebender, Mini-Sozialraum. Ja wirklich!

Nie zuvor wurde ich so oft angelächelt. Nie zuvor wurde ich so oft von mir fremden Leuten angesprochen. Nie zuvor haben mir so viele Menschen «en schöne Tag, adiö» gewünscht, wenn sie aus dem Bus steigen und sie zuvor von zwei Kulleraugen aus dem kleinen, mobilen Sozialraum angestarrt wurden.

Warum? Ist es der Jö-Effekt? Weshalb finden es fremde Menschen spannend,  mit mir in Kontakt zu kommen mit Kinderwagen und weshalb passiert dies so selten ohne Kinderwagen? Ist es ein «verbindendes Element» oder senkt so ein Kinderwagen die Hemmschwelle, weil man «ja ein Thema hat, über das man reden kann. Ohne peinliche Stille oder ohne, dass es komisch rüberkommt».

Und was mache ich in ein paar Jahren, wenn ich ohne Kinderwagen unterwegs bin, und mich plötzlich niemand mehr anlächelt oder verständnisvoll nickt, wenn es aus dem Wagen quiekt? Wohin geht dann diese Freundlichkeit? Mit dem mobilen Sozialraum in den Keller, irgendwann verstaubt und vergessen? Oder liegt es dann an mir, diesen weiterleben zu lassen? Wahrscheinlich beides irgendwie. Und wahrscheinlich suche ich mir dann auch genau Menschen mit Kinderwagen oder wahlweise süssen Hunden aus, um in Kontakt zu kommen. Weil: man hat ja dann schon ein Thema, man ist sich «näher» als sonst. Wenn auch nur für kurze Augenblicke.

«Man soll schweigen oder Dinge sagen, die noch besser sind als das Schweigen.» – Pythagoras von Samos, antiker griechischer Philosoph

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