Die Welt gerät aus den Fugen … oder doch nicht?

„Die Welt gerät aus den Fugen“, wie oft in den letzten Jahren konnten wir diese Schlagzeile lesen? Ich meine: zu oft. Klar, vielleicht reisserisch, vielleicht auf Leserfang, vielleicht übertrieben. Und doch sagt es viel aus, über das, was so auf und mit unserem Planeten geschieht.

Millionen Menschen sind auf der Flucht und werden nach all den erlittenen Ängsten, Qualen und dunklen Tagen auf der Flucht obendrein noch abgestempelt als „gefährlich“, „Terroristen“. Millionen Menschen auf der Welt leiden Hunger, Durst und haben kein Dach über dem Kopf. Acht Personen besitzen angeblich so viel wie die halbe Menschheit, die Gletscher schmelzen schneller als wir auf drei zählen können, Millionen von Hektaren Wald wird abgeholzt – wer braucht schon eine grüne Lunge? Globale Unsicherheiten, Fragen und Krisen bestimmen einen grossen Teil der Schlagzeilen. Ja, die Welt gerät aus den Fugen.

Bezüger der IV werden kollektiv verdächtigt, die IV zu betrügen und gar keine Rente nötig zu haben. Einsparungen haben eine Kürzung der Ergänzungsleistungen zur Folge. Sozialhilfeempfänger sind alle frech und unverschämt. Sparen auf dem Buckel der Lobbylosen – einfach, schnell und effektiv. Ja, auch die Schweiz gerät aus den Fugen.

Unsichere Zeiten erfordern… ja was erfordern sie denn? Ich persönlich finde, unsichere Zeiten erfordern sichere Häfen. Natürlich metaphorisch gesprochen. Breche ich all dieses „aus den Fugen geraten“ auf meine Arbeit herunter – die Arbeit in einem Wohnheim für Menschen mit einer psychischen Erkrankung – heisst dies (für mich):

Die persönliche Welt gerät mit / während einer psychischen Erkrankung aus den Fugen. Man muss sich total neu organisieren und mit der neuen Situation erst einmal klarkommen. Steht dann der Eintritt in ein Wohnheim an, kann das eine Entspannung bedeuten. Dieses Wohnheim kann ein sicherer Hafen bedeuten, in dem man die Chance hat, wieder Kapitän über das eigene Boot zu werden. Hilfreich können hierfür die Matrosen sein, welche einem auf diesem Lebensabschnitt begleiten – sprich wir Sozialarbeitenden. Und was möchte ich nun mit dem sagen? – Versuchen wir doch, in diesen Zeiten der Unsicherheit, der Zeit, in der vieles aus den Fugen gerät, eine Oase zu schaffen, in der zur Ruhe kommen möglich ist. Nicht blauäugig, nein, sondern entschleunigt. Schaffen wir Häfen, in denen ein Anlegen denkbar ist. Schaffen wir Wellenbrecher, damit die Boote nicht dauernd schütteln und rütteln – diese Tiefdruckgebiete kommen noch früh genug, man muss bloss die Zeitung lesen.

„In einem wankenden Schiff fällt um, wer stillsteht, nicht wer sich bewegt.“ – Ludwig Börne, deutscher Journalist und Theaterkritiker

Karin Morgenthaler

1 Kommentar zu „Die Welt gerät aus den Fugen … oder doch nicht?“

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