Humor als Medizin

Karin Morgenthaler, Sozialarbeiterin, Mama, Bloggerin, …

«Oh, du arbeitest mit psychisch Erkrankten? Da brauchst du sicher viel Erholung nach dem Dienst.» So oder so ähnlich hat es oft geheissen, wenn ich gesagt habe, dass ich in der Sozialpsychiatrie arbeite.

Ich habe mich dann immer gefragt, ob die Leute meinen, mein Alltag sei so wie im Film «Einer flog über das Kuckucksnest» – Medikamente werden verteilt bis zum Umfallen, die Bewohnerinnen und Bewohner bewegen sich wie Zombies durch die Gänge, permanent wird irgendwo aus einem Zimmer geschrien. Einerseits fand ich das immer etwas amüsant, vor allem die Gesichter, wenn ich erklärte, dass es nicht so ist, und andererseits stimmte es mich immer etwas traurig, dass immer noch solch ein Bild der Psychiatrie in den Köpfen verankert ist.

«Da gibt’s sicher nichts zu lachen». Mit «da» meinten die Leute das Wohnheim, in dem ich gearbeitet habe.

Das Gegenteil ist der Fall.

Es gibt viel zu lachen. Der Alltag und seine Komik sind unübertroffen. Und: wer hätte das gedacht? Auch Menschen mit einer psychischen Erkrankung haben Humor. Humor gehört zum Menschsein dazu, ob mit Schizophrenie oder Depressionen oder ohne. Den lautesten Lachanfall hatte ich mit einer Dame, welche unter schweren Depressionen leidet.

Den lustigsten Abend habe ich mit drei Personen verbracht. Jemand mit einer schizophrenen Persönlichkeitsstörung, jemand mit Depressionen und jemand mit einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung.

Humor muss sein, Humor schafft Inseln der Entspanntheit. Lässt – wenn auch nur vielleicht für einen kurzen Augenblick – den anstrengenden Alltag vergessen. Das Lachen schüttet im besten Fall Glückshormone aus. Humor verbindet – über Monate. Dieser eine Lachanfall, der hat uns noch lange begleitet. Immer wieder mussten wir darüber grinsen.

Dieser Abend blieb uns Vieren. Immer noch muss ich schmunzeln, wenn ich daran denke. Und jener Abend ist über acht Jahre her.

Humor kann jedoch nicht erzwungen werden. Humor entsteht in einer wohlwollenden, entspannten Umgebung. Humor zeigt Normalität auf. Humor kann heilsam wirken. Humor darf auch schwarz sein – auch und vielleicht vor allem in der Sozialpsychiatrie.

«Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.» – Joachim Ringelnatz, deutscher Dichter

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