Ich leide nicht daran, ich bin Down-Syndrom.

Karin Morgenthaler, Sozialarbeiterin, Mama, Bloggerin, …

Ich möchte Ihnen gerne eine Frage stellen heute. Bevor ich aber zur Frage komme, hier die Vorgeschichte:

Letztens sah ich auf irgendeinem Kanal in und auf den sozialen Medien ein Foto. Ein Foto mit unzähligen Kommentaren und hunderttausenden «Likes». Die Kommentare klangen alle – also alle die ich gelesen habe und glauben Sie mir, das waren viele! – gleich. Nämlich:

«Oh ist das süss!»

«Wie herzig! Schön, dass Reisen so möglich ist!»

«Toll – auch toll von den Eltern, dass ihr das könnt! Respekt.»

«Schön dass euch diese Erfahrung ermöglicht wird!»

Nun zu meiner Frage: Was denken Sie, ist auf dem Bild zu sehen?

Ich kann jetzt natürlich nicht kontrollieren ob Sie sich wirklich darüber Gedanken gemacht haben oder direkt hier weiterlesen. Aber ich löse auf:

Auf dem Bild war ein sehr verliebtes Paar, das auf Reisen ist. Und beim Paar handelt es sich um einen Mann und eine Frau mit Trisomie21.

Ja, ich finde auch: Schön für die beiden, dass Sie auf Reisen gehen können – das finde ich bei allen Fotos von Reisenden. Ob mit oder ohne Trisomie. Mit oder ohne Rollstuhl. Ich freue mich für jeden und jede. Warum? – Weil ich selber reisen schön finde.

Ja, ich finde auch die beiden strahlen um die Wette. Das finde ich immer wunderbar – egal ob mit oder ohne Beeinträchtigung. Ob homo- , hetero-, oder bisexuell.

Kann man sich nicht einfach freuen, dass jemand reist und glücklich ist? Ist das Hervorherben der Trisomie wirklich dermassen wichtig? Ich denke nicht, dass die beiden das Foto gepostet haben mit der Absicht: Komm wir holen uns «Likes», weil wir Trisomie 21 haben.

Natürlich – die Kommentare waren weder böswillig noch sonst wie negativ gemeint. Das ist mir klar. Trotzdem erstaunt es mich, dass im Jahr 2021 die Beeinträchtigung im Vordergrund steht und darauf Bezug genommen wird statt auf die glücklichen Gesichter, die fantastische Umgebung und die tolle Reise. Gleichstellung und damit auch die Inklusion im 2021 ist noch immer nicht dort, wo sie sein sollte. Denn der letzte Kommentar den ich gelesen habe, bevor ich genug hatte war: «Die beiden sind so herzig mit der Trisomie21». Nein – die beiden sind herzig. Punkt.

«Die Zukunft ist offen. Sie hängt von uns ab – von uns allen.» Willy Brandt, deutscher Politiker

1 Kommentar zu „Ich leide nicht daran, ich bin Down-Syndrom.“

  1. hier in Prishtina gibt es nicht einmal Schulen, geschweige denn Kinderhorte, wo Kinder mit Downsyndrom akzeptiert oder gar betreut werden..
    die meisten Eltern kämpfen um einen Kitaplatz, in der BetreuerInnen in einer Gruppe ca 40 Kinder betreuen. Kinder mit Downsyndrom werden auf Grund von Reklamationen von anderen Kita Eltern aus den Horten, Schulen und Kitas „entfernt“. Die Kitabetreuerinnen erzählen mir unter Tränen, wie sie jene Kinder liebevoll und aufmerksam betreuten und die anderen Kinder das Downsyndrom nicht mal bemerkt hätten und die Kinder ohne Vorurteile miteinander gespielt hätten. Und nebenbei zu erwähnen; die Kitabetreuerinnen haben hier Gehälter zwischen Eur 150-200 monatlich!

    Wenn ich nur wüsste, wo ich anknüpfen könnte, um hier auch Betreuungsplätze für Downsyndrom Kinder anzubieten.. zu anständigen Preisen, die sich die Eltern auch leisten können.

    Auch Kinder mit Autismus sind genau gleich betroffen. Das Umfeld und die Kultur hier sind dermassen überfordert mit den „sogenannten speziellen Kindern“ , dass sie einfach die Augen schliessen..

    etwas vom Thema abgewichen, aber Dein Blog, Karin Morgenthaler ist top!😃👏

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