Karin Morgenthaler, Sozialarbeiterin, Mama, Bloggerin, …
Nun ist er da, der Herbst. Und obwohl der Herbst mit Abstand meine Lieblingsjahreszeit ist, verstehe ich all jene, welche sich dieses Jahr nicht sonderlich freuen über seine Ankunft. So wenig, dass nicht mal mehr Marroni und eine Kürbissuppe sie aufheitern kann.
Der Herbst schleicht sich normalerweise auf leisen Sohlen zu uns und schubst sanft, aber bestimmt den Sommer weg. Dieses Jahr aber, nun ja, sagen wir es so: war der Herbst seit dem Frühling hier. Der Sommer, der war kurz und ansonsten nass, kalt und grau.
Wir vermissen das, was wir kennen aber nicht mehr haben. Wir wissen, wie unbeschwert der Sommer sein kann – und vermissen dieses Gefühl. Vermissen die Sonne, die Wärme, das Baden und das Grillen. Wir vermissen den Sommer so sehr, weil wir eben ganz genau wissen, wie er sein kann. Und nun, mitten im Herbst, zwischen all den Nebelschwaden und farbigen Blätter, zwischen Morgenfrost und Morgentau, sehnen wir uns nach früher. Nach damals, als der Sommer noch Sommer war.
Das «Früher» vermissen – das kennen Menschen mit psychischen Erkrankungen nur zu gut. Tendieren doch viele Leute dazu, mit der Zeit nur noch die Erkrankung zu sehen («ah, bipolar» oder «ah, depressiv»). Doch hinter der Erkrankung – mag sie auch schon jahrelang dominant sein – stecken immer Menschen mit Vergangenheit. Hans war nicht schon immer bipolar. Nein, Hans war vielleicht ein Landwirt der alle seine Kühe mit Namen kannte und jedes Mal ein Freudentränli verdrückte bei der Geburt eines Kälbchens. Und Madeleine war nicht schon ihr Leben lang depressiv. Vielleicht war sie Architektin mit den ausgefallensten Ideen und einem Händchen für sanfte Renovationen.
So lassen wir doch das Denken an «Früher» zu – auch wenn es manchmal schmerzhaft sein mag. Denn das «Früher» geht nicht weg, je länger Heute und Morgen ist.
«Meistens belehrt erst der Verlust über den Wert der Dinge.» – Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph und Hochschullehrer