«Jö, schau mal! Das ist ja herzig, hier haben Behinderte gemalt. Mega herzig, dass die das jetzt ausstellen dürfen.»

Karin Morgenthaler, Sozialarbeiterin, Mama, Bloggerin, …

In einer Zeit vor Corona – wissen Sie noch? – als Veranstaltungen noch erlaubt waren, ist mir etwas aufgefallen, von dem ich gerne berichten möchte.

Es ist zwar lange her, doch kann ich mich noch sehr gut daran erinnern. Bilder, die von Menschen mit einer Beeinträchtigung gemalt wurden, waren ein – wenn auch kleiner – Teil eben dieser Veranstaltung. Manche Bilder gefielen mir, manche nicht. Manche waren anregend, manche liessen mich schaudern, wieder andere fand ich einfach schön zum Anschauen. Genau so, wie wenn ich sonst auch beispielsweise in ein Kunstmuseum gehe und dasselbe denke und fühle.

Ich stehe also da und bewundere ein Bild, da höre ich von nebenan: «Jö, schau mal! Das ist ja herzig, hier haben Behinderte gemalt. Mega herzig, dass die das jetzt ausstellen dürfen.» (Ich weiss, dieser Satz ist alles andere als korrekt, ich persönlich würde ihn anders ausdrücken, aber das war nun mal so, wie es sich zugetragen hat).

Nicht beinhaltet dieser Satz eine Sprache, die nicht angebracht ist, sondern ist auf noch mehr Ebenen – für mich – einfach falsch.

«Jö (…), mega herzig»:  warum ist etwas «niedlich», nur allein aus der Tatsache heraus, dass es jemand mit Beeinträchtigung gestaltet / gemacht / gemalt hat? Würde je jemand sagen: Ach ist das jetzt aber herzig, jö, herzallerliebst, dass John Armleder hier ausstellen darf.

«…, dass die jetzt ausstellen dürfen»: Nun ja, hier finde ich grad keine Worte – ziemlich despektierlich. Die Künstlerinnen und Künstler als «die» in diesem Zusammenhang zu betiteln, tönt nicht nur überheblich – ist es wahrscheinlich auch. Es klingt als würde das blosse Anschauen der Kunstwerke einen sozialen Zweck erfüllen. Diese fünf Minuten «soziales Engagement» reicht dann auch wieder eine Weile.

Ja, vielleicht bin ich reisserisch, nur finde ich im Jahre 2019 (damals zum Zeitpunkt der Ausstellung) sollte über eine Ausstellung mit Bildern, die nun mal von Menschen mit Beeinträchtigung gemacht wurden, nicht so geredet werden als wären es Kleinkinder.

Zumal es überhaupt – meiner Meinung nach – unnötig sein sollte, Ausstellungsräume nach «beeinträchtigt und nicht beeinträchtigt» zu trennen. Ich habe nämlich keinen Unterschied feststellen können.

«Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.» – Paul Klee, deutscher Maler und Grafiker

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