Nachhaltig lernen als Institution

Simon Schmid , Sozialpädagoge

Im Juli 2020 fand im Betula der Aufsichtsbesuch des kantonalen Sozialamtes statt. Dieser Satz alleine sagt schon einiges aus. Wir stehen unter Aufsicht, werden kontrolliert, geprüft. Prüfungen sind für viele von uns wohl eher negativ behaftet. Werden wir geprüft, müssen wir uns offenbaren und unser Wissen nach aussen tragen. Die grosse Angst dabei: Was, wenn wir nicht genügen – unsere Leistungen die Erwartungen nicht erfüllen?

Wenn ich mich zurück entsinne an meine Schulzeit, muss ich etwas schmunzeln. Wie oft es doch vorgekommen ist, dass ich auf eine Prüfung schlecht vorbereitet war und mir auf den letzten Drücker noch alles Wissen einverleiben musste, ohne wirklich einen Plan zu haben. War dies effizient? Teilweise. War es nachhaltig? Keinesfalls. Dabei ist es im Lernen wie im Leben: Nur die Nachhaltigkeit trägt lange Früchte, und die Praxis ist meist mindestens so wichtig wie die Theorie.

Dies gilt umso mehr, wenn eine ganze Institution wie Betula auf dem Prüfstand steht. Denn eine Institution kann nicht, wie ich früher, bis in die späten Abendstunden büffeln. Die Arbeit muss täglich geleistet werden, das Lernen muss fortwährend passieren. Irgendwann kommt «Tag X», an welchem das ganze vorhandene Wissen präsentiert werden muss. Immerhin 34 Punkte wurden beim Aufsichtsbesuch des Sozialamtes durchgearbeitet, zu jedem musste Betula – vertreten durch Bewohnende, den Präsidenten, die Leitungspersonen und Mitarbeitende – Stellung beziehen.

Aber wie lernt man als Institution? Wie bereitet man sich vor auf eine Prüfung, die alle sechs Jahre stattfindet und an der nicht weniger hängt als die Betriebsbewilligung? Ich denke, am besten lernt Betula, lernen wir Mitarbeitenden, von und mit unseren Bewohnenden. Betula kann, genau wie andere soziale Organisationen, nur dann besser werden, wenn die Anliegen der Menschen, die dort leben, ernstgenommen werden. Dass hier der Wunsch nach und das Recht auf Selbstbestimmung an oberster Stelle kommen muss, ist auch im Aufsichtsbericht festgehalten: «Es gibt nichts, was ich nicht selber bestimmen kann.» hat eine der befragten Personen geäussert. Es ist der wohl wichtigste Satz im 27 Seiten umfassenden Bericht.

Betula hat den Test bestanden, und dies sehr gut. Das heisst aber nicht, dass die Arbeit beendet ist und die Verantwortlichen bis auf Weiteres genau so weitermachen können wie bisher. Das Einzige, was gleichbleibt, ist, dass nichts gleichbleibt. Weiterhin dürfen und müssen wir täglich von und mit unseren Bewohnenden lernen. Wenn Menschen sich auf Augenhöhe begegnen, können Bedürfnisse geäussert und Veränderungen initiiert werden. Die Zeit wird bis zur nächsten Prüfung nicht stehenbleiben und wir alle tun gut daran, unser Bestmögliches zu tun, um dann wieder gut vorbereitet zu sein. Die Arbeit dafür beginnt heute.

1 Kommentar zu „Nachhaltig lernen als Institution“

  1. Es ist eine wertvolle Arbeit die ihr leistet und ihr immer schafft es immer wieder auch die Öffentlichkeit mit einzubeziehen…..mit den Hauptakteuren…den Bewohnern und den vielen guten Begleitern.
    Schön das es Euch immer noch gibt….

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