Spuren, die wir hinterlassen

Christian BrönimannInstitutionsleiter, LOA-Trainer, Segler, Grossvater

Wenn ich am See sitze und ein Motorboot brettert über das Wasser und dieses ist 20 Minuten später noch zu hören;

wenn ich durch den Wald laufe und überall liegt Müll und Unrat herum;

wenn ich in einen vollen Zug steige und die Hälfte der Plätze ist mit Taschen oder Rücksäcken verstellt;

wenn ich Spuren von Ski- oder Snowboard Fahrenden im Tiefschnee sehe, welche Lawinen auslösen oder die Wildtiere in ihrer Winterruhe beeinträchtigen;

frage ich mich, woher nehmen die Leute sich das Recht, derart negativ in die Lebenswelt anderer einzudringen?

Diese Liste liesse sich beinahe endlos weiterführen und es gibt ohne Ende Beispiele, in denen Menschen Spuren hinterlassen, ohne auf die Bedürfnisse anderer einzugehen.

Handelt es sich dabei um Egoismus, Gleichgültigkeit, um fehlende Empathie oder um was geht es?

Egoistische Menschen handeln einzig für ihr Wohlergehen und stellen andere hinten an. Mit dieser Eigenschaft wird sich wohl niemand rühmen wollen, zumal Egoismus in unserer Gesellschaft verpönt ist. Doch, steckt nicht in uns allen ein kleiner Egoist oder eine kleine Egoistin? Eine gewisse Portion Egoismus ist gar nicht schlecht und für unser Überleben notwendig.

Ein gleichgültiger Mensch hat keine oder versagt sich einer eigenen Meinung, bildet sich kein Urteil und bewertet nichts. Gleichgültige zeigen weder positive noch negative Gefühle zu bestimmten Dingen oder Vorkommnissen. Ihr Denken ist gewissermassen “egozentrisch”, jedoch nicht aus Bosheit. Vereinfacht ausgedrückt kann man feststellen:

Der gleichgültige Mensch “bekommt nur wenig mit” und bemerkt nur das, was ihn direkt interessiert. Alles andere “geht an ihm vorbei”.

In bestimmten Bereichen des Lebens kann eine gewisse zeitweise Gleichgültigkeit und Gleichmütigkeit aber auch positiv sein. So zum Beispiel, wenn jemand Entspannungsübungen macht, um abends einschlafen zu können.

Wir alle kennen empathielose Menschen, die nicht in der Lage sind, sich in andere einzufühlen.

Sie kümmern sich nicht um das Wohl ihrer Mitmenschen und interessieren sich wenig für deren Ansichten und Perspektiven. Empathie ist keine Selbstverständlichkeit. Der Mangel wirkt sich jedoch negativ auf persönliche Beziehungen und auf die Gesellschaft aus.

Empathische Menschen verstehen die Gefühle ihres Gegenübers, lassen sich darauf ein, reflektieren sie und sind bereit, ihr tun ein Stück weit daran auszurichten.

Wenn ich mir oben genannte Ansätze vor Augen führe, komme ich zum Schluss, dass wir als Gesellschaft weltweit mehr ethische Verantwortung brauchen. Verantwortung als eine soziale Praxis, zu der alle Menschen in der Lage sind. Ethische Verantwortung heisst nicht, dass wir immer alles richtig machen müssen, aber wir müssen die Folgen unseres Handelns bedenken.

Verantwortung versteht sich als soziale Praxis, zu der wir Menschen begabt und in der Lage sind.

Glaubt man dem Philosophen Hans Jonas, sind wir Menschen in der Lage, ethische Verantwortung zu übernehmen, weil wir auf Fragen, Aufrufe und Konflikte auf der Basis von guten Gründen, zu antworten imstande sind.

Jonas betont, dass nicht das Prinzip «wie du mir – so ich dir» zukunftsfähig ist, sondern er verweist viel mehr auf all diejenigen, die keine eigene Stimme haben. Auf die, welche sich nicht oder noch nicht melden können und damit auch keine Vertragspartner sein können, die zukünftigen Generationen und die Natur.

Indem Jonas der Natur einen Eigenwert zuspricht, begründet er den Anspruch allen Seins auf eine würdige Existenz. Das Verhältnis zwischen Menschen und Natur ist kein Herrschaftsverhältnis, sondern ein Verantwortungsverhältnis. Der Mensch ist aufgrund seiner Machtfülle verantwortlich für alles Verletzliche, wobei der Anspruch beim Schwachen liegt:

Das Gefährdete und Verletzliche hat einen Anspruch gegenüber dem Mächtigen, es nimmt dieses in die Pflicht. 

Das Prinzip Verantwortung von Hans Jonas/ http://waste.informatik.huberlin.de/Lehre/ss12/PS_UnzSys/HansJonas_ DasPrinzipVerantwortung_Kap1.pdf

Ich bin zutiefst der Überzeugung, dass wir es schaffen werden, der Entwicklung eine andere Richtung zu geben. Wie Hans Jonas sagt, ist der Mensch ein reflektierendes Wesen, welches gute Gründe erkennt und sich daran ausrichtet.

Auch bin ich der Meinung, dass Glück und damit verbunden die Möglichkeit ein gutes Leben zu führen, immer mit einer sozialen Einbettung einhergeht. Ein Adrenalin-Kick geht vorbei und verliert seinen Reiz. Egoistisches Verhalten, Gleichgültigkeit oder Empathielosigkeit isolieren und sind so gesehen wenig zielführend.

Darum denke ich, es sind die positiven Spuren, welche uns dem näher bringen, was wir schlussendlich anstreben. 

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Betula-Newsletter

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter und wir informieren Sie über Themen, News und Veranstaltungen von Betula.

Einverständnis Datenschutzerklärung *
Nach oben scrollen
Scroll to Top