„wenn,…dann“

Immer wieder stolpere ich über diese zwei Worte, wenn ich meinen Gedanken freien Lauf lasse. Zwei kurze Wörter, mit je vier Buchstaben. So bedeutend können sie ja dann nicht sein, oder? Wenn etwas Bedeutung hat, dann sind es die schweren, langen, eben bedeutungsschwangeren Klassiker. Oder?

von Karin Morgenthaler

Als ich dann im endlos grossen Internet nach schweren, bedeutungsschwangeren Worten suchte, fand ich „Liebe“, „Angst“, „Zukunft“ oder auch „Gefühle“. „wenn,…dann“ kam nirgends vor. Und doch finde zumindest ich, diese beiden Worte sind schwer. Sind es doch die Worte, die uns einerseits wahnsinnig abbremsen und lahm legen, andererseits geben sie uns die Möglichkeit, das, was wir eigentlich wollen, nicht gleich beginnen zu müssen. „Wenn ich dann schwanger bin, höre ich auf zu rauchen.“ oder „Wenn der Frühling kommt, dann gehe ich ins Fitness!“ oder „Wenn ich pensioniert bin, dann mache ich eine Weltreise.“ Ja, wenn,…dann. Dann, irgendwann in der Zukunft, mache ich das, wovon ich heute träume. Dies tröstet über so manche Tage hinweg, wischt das schlechte Gewissen auf die Seite, während der Glimmstängel ausgedrückt wird. Lässt einem darüber hinwegsehen, schon wieder eine ganze Packung Chips gegessen zu haben und hilft, wenn die Angst zu gross ist, unbezahlten Urlaub zu nehmen.

Und zwischen dem „wenn“ und dem „dann“ sind so viele Tage, Wochen, Monate und Jahre, mit so vielen Momenten, Verpflichtungen und Gründen, es so zu lassen wie es ist, dass wir – vielleicht – niemals das „dann“ umsetzen werden. Wir hemmen uns selber, und – im Grunde – belügen uns ständig mit diesem „wenn,…dann“. Warum nicht jetzt? Was hindert uns?

Ist es, weil wir nie wissen, ob der Zeitpunkt gekommen ist, schwanger zu werden? Oder Geld für die Fitness auszugeben – vielleicht mit dem Wissen, zu wenig diszipliniert zu sein? Oder eine Weltreise zu machen, von der wir seit Jahren träumen, uns aber auch wahnsinnig Angst macht? Gibt es überhaupt einen richtigen Zeitpunkt? Wir sagen:„Nein, den gibt es nicht“. Und deshalb haben wir diesen Puffer eingebaut, bestehend aus zwei mal vier Buchstaben. So können wir schön unverbindlich bleiben, ohne uns die Blösse zu geben, wenn ein Plan doch nicht klappt in der Umsetzung. Diese acht Buchstaben helfen uns, uns zu nichts gezwungen zu fühlen und doch alles sagen zu dürfen. Alles zu können, aber nichts zu müssen.

Doch es ist nicht nur ein Puffer. „Wenn,…dann“ kann auch eine drohende Komponente innehaben. Im Berufsalltag kann dies beispielsweise sein: „Wenn du dein Zimmer später aufräumst, dann gehst du eben auch später ins Wochenende.“ Schnell entsteht dann ein Gefälle, statt ein Begegnen auf Augenhöhe. Und so ändert sich der schale Nebengeschmack von „unverbindlich“ hin zu „sehr verbindlich“ – entweder du machst dies jetzt so, oder die Konsequenzen folgen.

Ob so oder so – „wenn,…dann“ ist meiner Meinung nach eine Wortabfolge, die unbedingt zu den Big Five der schweren Wörter gehört. Was denken Sie? Wenn Sie etwas zu diesen Gedanken beitragen wollen, dann dürfen Sie gerne kommentieren 😉

„Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die vorüber, in der man kann.“ – Marie von Ebner-Eschenbach, österreichische Schriftstellerin

 

3 Kommentare zu „„wenn,…dann““

  1. Wenn Froda schiebt und zieht..

    Vor einigen Tagen haben mich die Gedankengänge über “wenn..dann..” voll erwischt.

    Kann alleine ein Begriff per se schwer sein?
    Und heisst es, wenn Begriffe “bedeutungsschwanger” sind, sie auch zugleich schwer sein müssen?
    Könnte bedeutungsschwanger auch heissen, dass etwas gedeutet und beurteilt wird, jedoch noch nicht geboren ist?

    Was schiebt und was zieht in einem Beurteilungsprozess?

    Ich denke, dass die eigene Haltung und die damit verbundene Perspektive die man selbst einnimmt ein zentrales Moment darstellt.
    So kann “wenn..dann..” als quasi scheinheiliges Alibi benutzt werden, um sich einer Herausforderung oder einem Wagnis zu entziehen.
    “Wenn..dann..” kann auch als Orientierung und Sicherheit genutzt werden. Beispielsweise kann es in einer achtsamen Selbstwahrnehmung hilfteich sein zu wissen, was zu tun ist, wenn gewisse Zeichen erkannt werden. Bereits erlebte Erfahrungen können so in ein “wenn-dann-Szenario” zusammengeführt werden und dabei helfen, die vermeintlich schweren Herausforderungen anzugehen und zu meistern.

    Vor einigen Jahren habe ich in meinem inneren Team “Froda” eingestellt. Froda ist froh da zu sein wo sie gerade ist, ganz gleich wo sie gerade ist.
    Ob im fachlichen Kontext als Sozialpädagogin, oder im privaten Kontext – Froda ist die Kraft die mir hilft, in schweren Zeiten innezuhalten und die bisweilen gut versteckten Möglichkeiten zu entlarven. Daraus lassen sich hilfreiche Indikatoren entwickeln, welche Sicherheit und Halt auf einem vielleicht langen Weg bieten können.

    Wenn Froda schiebt, höre ich sie sagen: “Schau genau hin! Es hat Sinn, dass Du da bist wo Du bist!”
    Und wenn Froda zieht, dann höre ich soe sagen:”Was ist für Dich sinn-voll zu tun?Welches sind Deine kleinst möglichen Schritte, damit Dein Weg möglich wird?”

    Ich persönlich mag diese bedeutungsschwangeren Begriffe, da sie für mich auch Kraft, Mut, Zuversicht und Orientierung bedeuten, um in schwierigen Lebenslagen “Froda-Momente” zu erfahren und nutzen zu können.

    Abschliessend möchte ich noch sagen: “…Wenn Karin einen neuen Betula-Blog veröffentlicht, …dann nehme ich mir dafür gerne Zeit und lasse mich in spannende Gedanken verstricken” – weil es sich immer lohnt –
    🙂 in diesem Sinne, herzlichen Dank!

    1. Liebe Alexandra

      Herzlichen Dank, dass du uns an deinen Gedanken und an deiner “Froda” teilhaben lässt!
      Und danke für dein Kompliment – dies freut mich sehr! 🙂

      Ich wünsche dir viele sonnige Tage mit wunderbaren Momenten und schicke liebe Grüsse!

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