Windeln und Brei

Abschied nehmen. Die meisten verbinden diese zwei Worte mit dem Sterben. Das Gegenteil kann jedoch auch der Fall sein. Eine Annäherung mit dem Wissen um Unvollständigkeit.

von Karin Morgenthaler

Immer wieder finde ich es faszinierend, mit welchen Gefühlen oder Assoziationen Worte in Verbindung gebracht werden. So auch beim «Abschied nehmen». Natürlich – wir nehmen am Grab von geliebten Menschen Abschied.

Doch diese beiden Worte haben noch so viel mehr zu bieten, als mit Traurigem in Verbindung gebracht zu werden! Gerne breche ich eine Lanze für diese Zwei.

Ob wir wollen oder nicht, wir nehmen unser ganzes Leben lang Abschied. Sei es, dass wir als Teenager Abschied nehmen vom Kind-sein. Oder als Erwachsener, wo wir Abschied nehmen vom Teenager-sein und dann ganz gewissenhaft und beflissentlich unsere Steuererklärung ausfüllen und uns Gedanken über unsere Zukunft machen.

Wir nehmen Abschied von alten Gewohnheiten. Von neu überdachten Meinungen. Von Dingen, die schon immer so waren, aber nun geändert werden müssen. Ja, manchmal nehmen wir sogar Abschied vom Geschmack – weil der verändert sich alle 7 Jahre. Und plötzlich mag man Kaffee!

Und dieses Abschied nehmen ist keinesfalls negativ geprägt. Denn – so finde ich – jedes Mal, wenn wir uns von etwas verabschieden, entsteht etwas Neues, Anderes. Und dieses Neue hilft uns, uns weiter zu entwickeln, weiter zu gehen, uns selber besser kennen zu lernen und eine eigene Identität zu erschaffen. All das Alte, das wir hinter uns lassen, macht Platz für neue Erfahrungen und Ideen.

Im Alltag in einem Wohnheim für Menschen mit einer psychischen Erkrankung kann ein solches «Abschied nehmen» eine grosse Herausforderung sein.  Gerade während einer psychischen Krise ist es unter anderem hilfreich, wenn es um einem herum stabil ist. Doch im Laufe der Therapie und der Gespräche, soll genau Veränderung geschehen, Neues soll Einzug halten. Nicht immer ist dies einfach, und oftmals entstehen daraus neue Krisen. Zu merken, dass beispielsweise die Betreuung zu viel wird und man einen Schritt in Richtung Selbständigkeit gemacht hat, kann Angst machen. «Bin ich wirklich schon so weit? Was soll ich denn tun ohne 24-Stunden-Betreuung? Wer ist da im Notfall?». All diese Fragen und noch mehr können Furcht auslösen. Abschied nehmen kann also auch ein Prozess der Gesundung und Genesung sein – und, genau, Platz für einen neuen Abschnitt schaffen.

So hoffe ich, dass Abschied nehmen die negative Anhaftung etwas verloren hat, es kann nämlich durchwegs auch etwas Schönes und Positives sein.

So nehme auch ich, vielleicht haben Sie es bemerkt an der sinkenden Anzahl neuer Blogs, Abschied. Auch bei mir heisst dieser Abschied, einen neuen Abschnitt zu schaffen. Und zwar ein Abschnitt, der weniger mit Blogs und Schreiben zu tun hat, sondern mehr mit Windeln und Brei.

Und, wenn ich ganz ehrlich bin: so sehr ich eine Lobeshymne auf diese Worte «Abschied nehmen» geschmettert habe – ganz so einfach ist es doch nicht. Abschied darf schmerzen, auch wenn etwas wunderbar Neues entsteht!

So bedanke ich mich bei Ihnen für das treue Lesen und Kommentieren, Liken und Teilen und all die wunderbaren Gespräche über die aktuellen Blogs!

«Abschied: die Tür zur Zukunft.» – Manfred Hinrich, deutscher Philosoph, Lehrer und Journalist

6 Kommentare zu „Windeln und Brei“

  1. Alexandra Riethmüller

    Liebe Karin
    ‍♂️Wow! Herzlichen Glückwunsch!
    Dann möchte ich den Augenblick nutzen, um mich bei Dir für Deine verschriftlichten Gedankenzüge der Vergangenheit herzlich zu bedanken! ..und hoffe natürlich, dass der „Betla-Blog“ weiter geführt wird 😉
    Von Herzen wünsche ich Dir alles liebe und natürlich, nach dem Abschied, viele zauberhafte Augenblicke❤️‍♂️
    Herzlich, ich

    1. Ein starker Beitrag zum Abschied – danke liebe Karin! Und von Herzen alles Liebe für den neuen Lebensabschnitt. Windeln und Brei sind nicht von Dauer. Der nächste Abschied wird also kommen 🙂 Dich hast du immer dabei, bleibt dir treu!

  2. Liebe Karin
    bin auch mitten drin, von verschiedenen Sachen Abschied zu nehmen.Manches faellt mir sehr schwer, aber dein Blog hat mich wieder etwas wachgeruettelt und auch getroestet.Ich wuensche dir und Dimitri einen guten Start ins neue spannende Familienleben mit eurem 1.ten Babylein.Kuessli und toi toi toi

  3. Du hast es gut beschrieben Karin, Abschied bedeutet, – es kommt etwas anderes, dies ist dann die Veränderung.

    In deinem / Euren Fall sind es Brei, Windeln, viele Schlaflose Nächte,… ich muss gerade schmunzeln.

    Geniesse diese Zeit, denn sie ist einmalig schön, doch auch streng an manchen Tagen, doch du / ihr werdet für alles entschädigt,… Ist versprochen, Kinder sind ein Geschenk.

    In diesem Sinne, wünsche ich euch Geduld und ganz viel Liebe.

  4. Hallo

    Ich habe vielleicht nicht alle gelesen, doch sie sind immer wunderbar geschrieben, inhaltlich sehr tiefgreifend und doch eine Freude, auch um sich selbst immer mal wieder in einigen Situationen wiederzuerkennen.

    Herzlichen Dank an dieser Stelle und viel Freude für die kommende Zeit.

    Liebe Grüsse

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