…es entspannt, sich Inseln der Achtsamkeit zu schaffen.

„Achtsamkeitsübungen“ – ein Wort, das mir (ich spreche der Einfachheit halber nun von mir – obwohl ich ziemlich sicher bin, für einen grossen Teil unseres Berufsstandes reden zu können) sehr leicht über die Lippen geht. In meinem Berufsalltag verwende ich es mindestens wöchentlich. Darf ich das?

Karin Morgenthaler

„Achtsamkeit“ – laut Duden kann dieses Wort mit dem Folgenden übersetzt werden:

Aufmerksamkeit, Augenmerk, Konzentration, Sorgfalt, Wachsamkeit.

Achtsam zu sein heisst, mit all meinen Sinnen dort zu sein, bei dem, was ich gerade tue. Sei es ein Stück Schokolade im Mund zergehen zu lassen, einen schön geschliffenen Stein aus dem Bachbett in der Hand zu halten oder den Sonnenuntergang zu beobachten. Ganz da zu sein, ohne Ablenkung durch die tausend anderen Dinge um mich herum. So können Achtsamkeitsübungen nebst der Therapie beispielsweise für Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung auch eingesetzt werden für  Stressabbau, Schmerztherapie oder Angstminderung.

Kommen wir nun zum reflektierten Teil dieses Blogs:

Bin ich selber denn in meinem Alltag – auch meinem Privaten – so achtsam, wie ich es während meiner 8-Stunden Dienste predige? So denke ich während des Abendessens an die Rechnungen, welche ich einzahlen sollte. Überlege beim Fernsehschauen, auf welche Zeit für den nächsten Morgen ich den Wecker stellen muss. Erwäge im Zug, während ich an wunderbaren Landschaften vorbeifahre, was ich am Abend kochen soll. Und gehe ich für eben diesen Znacht einkaufen, mache ich mir Gedanken, wie ich einen Brief an irgendwelche Behörden formulieren soll. Nein, ich bin in meinem Alltag nicht wahnsinnig achtsam.

Auf den zweiten Blick jedoch sieht es etwas anders aus. Wenn ich die Tomaten für das Abendessen zuschneide, bin ich ganz bei diesem roten Ding, das auf meinem hellblauen Schneidebrett liegt (zugegebenermassen auch aus Angst, mir in den Finger zu schneiden). Wenn ich einen wichtigen Brief schreiben muss, bin ich ganz bei der Formulierung der Sätze. Ebenso, wenn ich hier bei der Arbeit diesen Blog schreibe. Ich denke ausschliesslich über Achtsamkeit nach. All die wartenden Berichte, Einträge und sonstigen Pendenzen bleiben aussen vor. Bei Bezugspersonengesprächen bin ich ganz dort, bei meinem Gegenüber. Und an Sitzungen bleiben meine Gedanken im Sitzungszimmer. Doch, bei der Arbeit bin ich achtsam und konzentriere mich stark auf das Hier und Jetzt.

Dies widerspricht aber ziemlich der Einstellung – so kommt es mir wenigstens vor –, GERADE bei der Arbeit so viele Dinge wie nur möglich nebeneinander, parallel erledigen zu wollen. Man will ja schliesslich produktiv sein und sich den Ruf erwerben, alles im Griff zu haben, den totalen Überblick zu besitzen und Teamkollegen, die sich fragen: „Wie macht er/ sie das bloss?“. Aber eben, wie soll ich predigen: „Das ist nützlich, so eine Achtsamkeitsübung!“, wenn ich selber bei der Arbeit an hundert Dinge denke und diese dann gleichlaufend versuche zu erledigen. Und ja: sowas fällt auf.

Ja, Sie merken es: ich übertreibe wieder einmal und der gerade gelesene Abschnitt darf ruhig mit einer Prise Ironie verstanden werden. Und nichtsdestotrotz: es entspannt, sich Inseln der Achtsamkeit zu schaffen. Tatsächlich! Und sei es bloss, sich beim Mittagessen auf die Schärfe des Pfeffers zu konzentrieren. Das muss auch nicht 15 Minuten dauern. Nehmen wir uns Zeitinseln raus, um mal das Gedankenkarussell für ein paar Augenblicke anzuhalten. Zeitinseln, während derer wir uns nur auf EINE Sache konzentrieren. Oder wie würden Sie es finden, wenn ich hier in diesem Blog über Achtsamkeit plötzlich über die Transfersumme von Neymar berichten würde?

„Glück entsteht oft durch Aufmerksamkeit in kleinen Dingen, Unglück oft durch Vernachlässigung kleiner Dinge.“ – Wilhelm Busch, deutscher Dichter und Zeichner

1 Kommentar zu „…es entspannt, sich Inseln der Achtsamkeit zu schaffen.“

  1. Ich machte gerade ein paar achtsamkeit übungen im schnupper yoga ( das ermöglichen sei dank) da merkte ich wie wenig dass es braucht um abgelenkt zu sein. Um eben diese aktsamkeit weiter zu ziehen beschloss ich mich ab jetzt des öfteren ins yoga zu gehen und diese übungen auch in den alltag einzufliessen. In den ferien gelingt mir achtsamkeit gut.
    Bin gespannt wohin der aufmerksame weg mich führt

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