Hängend über der Kloschüssel?

An einer Weiterbildung habe ich die Aussage „Eine Psychose ist das Erbrechen der Seele“ aufgeschnappt. Dies hat mich nicht mehr losgelassen – bis heute nicht. Was ist überhaupt der Sinn vom Erbrechen? Und kann man dies nicht mit Medikamenten stoppen? Was tut mir in solch einer Situation gut? Und sind Sie bereit, für ein Gedankenspiel?

von Karin Morgenthaler

„Eine Psychose ist das Erbrechen der Seele.“ Wie 7 Wörter mich derart begleiten und beschäftigen können! Breche ich das Erbrechen auf eine körperliche Ebene herunter, sieht das (möglicherweise) so aus:

Wenn Sie etwas essen, das Ihnen nicht bekommt, rebelliert ihr Körper. Sie haben etwas im Magen, das wieder raus muss. Anzeichen, dass Erbrochen werden muss, sind oftmals ein vermehrter Speichelfluss, eine quälende Übelkeit und meistens schneller Atem. Das Corpus Delicti wird danach durch die Speiseröhre aus dem Magen befördert und landet schliesslich – meist und hoffentlich! – in der Toilette.

Oftmals stellt sich gleich danach eine Erleichterung ein, die Übelkeit lässt nach, man ist müde und schläft. Wichtig erscheint mir, dass das Übergeben an sich keine Krankheit ist, sondern ein Merkmal einer solchen. Das Erbrechen dient als Schutz, um beispielsweise das Essen, das verdorben war, wieder aus dem Körper zu leiten.

Was benötige ich, wenn ich eine Magen-Darm-Grippe habe, und ich erbrechen muss? Was wünschen Sie sich dann?

Wahrscheinlich einen liebevollen Umgang mit Ihnen, vielleicht jemand der Ihnen einen Tee und Zwieback bringt, Ihnen den Rücken streichelt, eine Wärmeflasche bringt und das Bett neu bezieht. Warme Worte des Verständnisses für die mühsame Situation und trostspendende Aussagen, dass es Ihnen sicherlich bald wieder besser gehen wird.

Wohl kaum jemand wünscht sich dann ein Bett in einem Isolationszimmer. Kaum jemand wünscht sich dann Medikamente, welche sedieren – wenn ich mich doch erbrechen muss, könnte dies gefährlich werden. Dann muss mich schon jemand in die stabile Seitenlage bringen, damit ich nicht daran ersticke. Und überhaupt – das verdorbene Essen muss doch raus, sonst wird das nie was, und mir ist ewig übel! Und es geht doch viel schneller,  als irgendwelche Symptome zu unterdrücken. Klar ist es sehr unangenehm, im Endeffekt gesunde ich jedoch schneller, als wenn ich das Erbrechen unterdrücke. Und in so einem Zustand möchte ich wohl kaum gefragt werden, was ich die nächsten Tage oder Wochen unternehmen möchte, damit es mir besser geht. Nein, ich will einfach nur liegen, mich erholen und meinen Körper die Arbeit verrichten lassen, mich wieder zu entgiften. Bin ich dann überhaupt in der Lage, mir Dinge zu überlegen, die meine Zukunft betreffen? Hängend über der Kloschüssel? In einer Position, die nicht gerade als die würdevollste bezeichnet werden kann?

„Eine Psychose ist das Erbrechen der Seele“. Lesen Sie den Text nochmals – und ersetzen Sie „Magen-Darm-Grippe“ durch „Psychose“. Spannend, nicht? Viel Vergnügen im Gedankenkarussell – ich bin gespannt, ob es Sie genau so fesselt wie mich.

„Mit dem Geist ist es wie mit dem Magen: man kann ihm nur Dinge zumuten, die er verdauen kann.“ – Winston Churchill, britischer Politiker

1 Kommentar zu „Hängend über der Kloschüssel?“

  1. Ein sehr guter vergleich! Hatte zwar keine psychose aber ändliche zustände! Ist wirklich ein kotzübles gefühl der zustand! Mir half immer reden als kloschüssel..
    Gruss severine

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Betula-Newsletter

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter und wir informieren Sie über Themen, News und Veranstaltungen von Betula.

Einverständnis Datenschutzerklärung *
Nach oben scrollen
Scroll to Top